Das nördliche Kreuzberg um den Heinrichplatz und der Oranienstraße ist inzwischen eher Kultur- und Modemeile mit entsprechend angehobener Gastronomie. Hier tummelten sich Samstag tausende Anwohner, Touristen und Partyfreaks. Sie haben schon seit Jahren keinen Bock mehr auf Qualm, CS-Gas mit brennenden Barrikaden.
So hat sich der Protest, wenn man es so nennen will, bzw. die „Revolutionäre 1. Maidemo“ der Linksautonomen Gruppen dieses Jahr in den südlichen Stadtteil verlagert. Dorthin soll auch das neue Drogentherapiecenter vom „Kotti“ verlagert werden und noch südlicher hinter dem „Görli“ wird die Verlängerung der A 100 immer bedrohlicher. Mediaspree ist weiterhin ein Reizthema, da etliche Kulturstätten und Naturressourcen wegfallen, wenn das gesamte Gebiet an beiden Spreeufern ausgebaut wird. Die Bar 25 rechnet endgültig mit ihrer Schließung im nächsten Jahr !
Aber eine Revolution setzt zumindest breiten Rückhalt der Anwohnermassen in diesem Stadtteil voraus. Schon die 68er sprachen dazu „vom Fisch im fließenden Wasser“; erreichte diesen Rückhalt in der vitalen Bevölkerung allerdings auch nur zu den Anfängen der Hippiebewegung.
Also feierte sich am 1. Mai 2010 die „Revolutionäre Bewegung“ mit immerhin 10.000 TeilnehmerInnen bei der Demo selbst. Das „Wasser dieser Fische“ kam aber nicht aus der Anwohnerschaft, durch Rückhalt, sondern aus den Rohren der Wasserwerfer am Lausitzer Platz. Auch der Barrikadenbau blieb ziemlich aus, da die Anwohner sämtlichen Sperrmüll in den Kellern ließen und nur einige Mülltonnen, dann ein Opfer der Flammen wurden.
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Demonstranten auf dem Dach Schönhauser Allee Ecke Wichertstr. 1. Mai 2010 (Foto: Reiner Schicks)
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Zudem war die heikelste Frage in der Reichenberger Straße, ob in Kreuzberg mehr autonom-ähnlich gekleidete „Bullen“ an der Demo teilnahmen, statt der eigentlichen Autonomen. Längst hat sich inzwischen die Polizei die Strategie dieser Gruppen zu Eigen gemacht. Sie sind vermummt im Einsatz als Kleingruppen. Sie sind schnell unterwegs und greifen konsequent zu. Sie stehen nicht mehr einfach in „Reih`und Glied“ an der Kreuzung, sondern sind mitten mang im Geschehen.
Ebenso groß wie die Demo und das Polizeiaufgebot war außerdem das „Publikum an den Straßenrändern“…und deren Elite, die sich rechtzeitig Logenplätze in den Häusern an der Demoroute besorgt hatten. Mit bester Sicht ausgestattet, wurde dann ab 19 Uhr, bei Einbruch der Dämmerung, endlich der „geilen Action“ entgegen gefiebert.
Doch die Enttäuschung war dieses Jahr groß. So brannten doch nur ein paar Gummitonnen, Bretter und Zaunteile am Lausitzer Platz und einige Müllreste östlich am Spreewaldplatz.
Die Polizei zeigte zuletzt der gesamten Demo an der Skalitzer Str. die rote Karte. Alle Querstraßen zum Mayfest in der Oranienstr. wurden vollkommen abgeriegelt. Ein Durchbruchversuch war schon nach 5 Minuten vereitelt, denn die Partyfreaks wollten mit Köfte, Döner und Pappbechern voll Bier und Wein lieber feiern und keine Steine oder Flaschen werfen. So blieb die 23. 1.Mai-Demonstration in Kreuzberg, diesmal am Rande der Peripherie stecken. Vielleicht sollten sich die Autonomen Gruppen einfach einmal fragen, ob die vielen „Latschdemos“ überhaupt noch zeitgemäß sind und warum Attac oder Green peace längst andere Agitationsmittel anwenden.
Nur 6 Stunden vorher an der Bornholmer Str. und in Prenzl Berg war exerziert worden, wie eine breite Anwohnerschaft auf Straßen und Dächern, von Jung bis Alt, mit Kind und Kegel, mit Köpfchen und Power, der Aufmarsch von einigen Neonazis in Berlin verhindert werden kann. So klappt es eben auch mit dem Nachbarn !
RpresseR 3. Mai 2010
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