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EU-Datenschutz bricht Nationalen Datenschutz


Wie die zukünftige Informationsgesellschaft aussieht, können wir heute nur erahnen. Die technischen Grenzen für die Sammlung, Speicherung und Verarbeitung von Daten sind aufgehoben, der "gläserne Mensch" ist heute machbar.

Die im Volkszählungsurteil von 1983 aufgestellten Grundsätze sind in der heutigen Informationsgesellschaft genauso aktuell wie in der Zeit der ersten Generation der Großrechner. Die zentrale Aussage des Urteils lautet: "Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen."

1. Europäischer Datenschutztag

BÜ90/Grüne, INNENPOLITIK, Nr. 7, 26. Januar 2007

Von Silke Stokar,

Am Sonntag, den 28.01.2007, war der 1. Europäische Datenschutztag. Ich nehme das zum Anlass, um heute ein aktuelles Papier zum Datenschutz vorzustellen.

In den vergangenen Jahren stand der Datenschutz massiv unter Druck. Datenschutz wurde als „Täterschutz“ diffamiert oder als Hemmnis für die Wirtschaft gesehen. Ich erlebe in der letzten Zeit ein Umdenken: Die Anfragen zu Datenschutzthemen aus der Bevölkerung häufen sich, auch in den Medien ist Datenschutz wieder ein Thema. Ganz offensichtlich sind die Grenzen des Zumutbaren überschritten.

Die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt hat die Bundesregierung. Bundesinnenminister Schäuble hat am 24. Januar das innenpolitische Arbeitsprogramm zur deutschen EU-Präsidentschaft im LIBE-Ausschuss (bürgerliche Freiheit, Justiz, Inneres) unter dem Titel: „Europa sicher leben“ vorgestellt. Bürgerliche Freiheit kommt in diesem Programm nicht vor. Dies ist zu Recht von zahlreichen EU-Abgeordneten kritisiert worden.

Ich stelle ganz konkrete Forderungen im Bereich Datenschutz an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft:

Ein Vorschlag für einen Rahmenbeschluss zum Schutz personenbezogener Daten liegt vor, er muss zum Abschluss gebracht werden. Das europäische Datenschutzrecht muss harmonisiert werden, bevor der Vertrag von Prüm in den Rechtsrahmen der EU überführt wird.


In die EU-Ratspräsidentschaft fällt das Auslaufen des Interimsabkommen mit den USA über die Weitergabe von Fluggastdaten. Hierzu finden heute Gespräche zwischen Bundesinnenminister Schäuble und US-Heimatschutzminister Michael Chertoff statt. Wir erwarten hier eine klare Aussage: die USA muss die Grenzen die der europäische und der deutsche Datenschutz setzen, respektieren. Wir erwarten, dass Bundessinnenminister Schäuble hier die Grundrechte der europäischen Flugpassagiere schützt. Warum soll mit Europa kein Abkommen möglich sein, dass mit Kanada oder Österreich funktioniert? Als Ergebnis der heutigen Gespräche erwarten wir, dass ab sofort nur noch das Pull-Verfahren angewendet wird, die Daten werden entsprechend der europäischen Rechtslage geliefert, der automatische Zugriff auf die Daten durch die USA wird beendet.

Der Sündenfall im europäischen Datenschutz ist die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Sie verstößt ganz offensichtlich gegen europäisches und nationales Recht. Wir lehnen die Umsetzung der EU-Richtlinie ab und fordern die Bundesregierung auf, der Klage Irlands beizutreten. Wir unterstützen die Erklärung der 27 Verbände. Ich habe mich ganz persönlich der Verfassungsklage angeschlossen. Wenn die Politik nicht zur Vernunft kommt, muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Die Informationsgesellschaft wirft neue Datenschutzprobleme auf – das alte Bundesdatenschutzgesetz wird der technischen Entwicklung nicht mehr gerecht. Mit dem Volkszählungsurteil wurde das informationelle Selbstbestimmungsrecht zum Grundrecht. Wir wollen Datenschutz im Grundgesetz ausdrücklich verankern.

Wir brauchen eine grundlegende Modernisierung des Bundesdatenschutzgesetzes: klare Sprache, Überflüssiges muss entsorgt werden, Fehlendes muss ergänzt werden, fachspezifischen Vorschriften müssen gebündelt werden. Ziel ist ein modernes „Bundesdatenschutzgesetzbuch“. Datenschutz wird dann zur Bürokratie, wenn keiner mehr durchsteigt. Ein modernes Datenschutzgesetz liegt auch im Interesse der Wirtschaft.

Wir wollen einen intensiven Dialog zwischen Wirtschaft, Datenschutz und Verbraucherschutz. In den USA hat man längst erkannt: Akzeptanz für Produkte und Dienstleistungen er Informationstechnologie gibt es nur, wenn die persönlichen Daten geschützt sind.

Bei der RFID-Technologie hat das Bundeswirtschaftsministerium völlig versagt. Die von ihm eingerichtete Arbeitsgruppe tagt nicht mehr. Ohne verbindliche und verlässliche Selbstverpflichtung der Wirtschaft brauchen wir hier eine gesetzliche Regelung.

Scoring-Verfahren sind häufig eine Form digitaler Diskriminierung, die zu sozialer Ausgrenzung führt. Wir brauchen Transparenz im Verfahren, Auskunftsrechte und die Möglichkeit zu Korrekturen.

Datenschutz-Gütesiegel: Wo Datenschutz draufsteht muss auch Datenschutz drin sein. Wir haben ein Wirrwarr an Gütesiegeln, die für den Verbraucher nicht transparent sind.

Wir haben in den vergangenen Monaten zu vielen Einzelproblemen Anträge in den Bundestag eingebracht:
zum Datenschutz-Gütesiegel: http://www.stokar.de/bundestag/antraege/158193.html
zu Scoring-Verfahren: http://www.stokar.de/bundestag/antraege/111886.html
zur Informationspflicht der Unternehmen bei Datenschutzpannen: http://www.stokar.de/bundestag/antraege/197009.html

Natürlich befassen wir uns auch mit dem Thema Datenschutz und Sicherheit.

Wir sehen die Gefahr, dass immer mehr Behörden-Dateien zweckentfremdet und zu Sicherheitsdateien umgewidmet werden. Vor diesem Hintergrund warnen wir auch vor der Gefahr, dass das Melderegister schrittweise zu einer umfassenden Datei ausgebaut wird, wo dann der online-Zugriff über eine Personenkennziffer umfangreiche Informationen über die Person preisgibt von der Anschrift über Sozialdaten bis hin zum biometrischen Fingerabdruck.

Wir sagen deutlich: der Datenschutz setzt den Sicherheitsbehörden Grenzen. Wir lehnen es ab, dass der Staat mit Hacker-Software heimlich in unsere Privat-PC’s eindringt und wir wollen das Internet durch ein „Mediennutzungsgeheimnis“ vor anlassloser Überwachung schützen.

Da, wo neue Technik für die Sicherheitsbehörden hilfreich ist, soll sie auch zielgerichtet eingesetzt werden. Wir wollen keine flächendeckende Überwachung, aber an Flughäfen und auf Bahnhöfen kann Videoüberwachung ein geeignetes Instrument sein, Täter zu identifizieren und festzunehmen. Es gilt: Qualität geht vor Quantität.

Wir starten eine Initiative für die Modernisierung des Datenschutzrechts. Unsere Bündnispartner sind die Verbände, die sich zum Thema Vorratsdatenspeicherung zusammengeschlossen haben, unsere Bündnispartner sind die öffentlichen und betrieblichen Datenschutzbeauftragten, wir suchen das Gespräch mit der Wirtschaft: mit dem RFID-Forum, mit der Schufa und anderen Auskunfteien, mit dem Mittelstand der Internet-Economy. Das Diskussionspaper soll in einem offenen Prozess weiterentwickelt werden, bevor es als Beschlussvorlage in der Fraktion abgestimmt wird.

Zu Einzelaspekten haben wir bereits Anträge in den Bundestag eingebracht,
Zu Scoring, Informationspflichten bei Datenschutzpannen und Datenschutz-Audit findet am 5.März eine öffentliche Anhörung des Innenausschusses statt.

Silke Stokar (MdB)

Innenpolitische Sprecherin der bundetagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen (Bild : stokar)

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Silke Stokar
Innenpolitische Sprecherin
Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Tel.: 0 30 / 2 27 - 7 21 22
Fax: 0 30 / 2 27 - 7 68 22

» www.stokar.de