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Langzeitarbeitslose profitieren

Tarifverträge sichern Arbeitsplätze – oder die Arbeitslosigkeit

„Mindestlohn ist ein Anschlag auf die Tarifautonomie.“ (Dieter Hundt, BDA)

Von Franziska Sylla

Berlin, 3. Juli 2008. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt von der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, nahm vergangenen Dienstag kein Blatt vor den Mund: „Der Mindestlohn wirkt als Jobkiller“, sagte er, „das sieht man doch am Beispiel Frankreich“, stellte Göhner seine Sichtweise den Journalisten klar: „Die Jugendarbeitslosigkeit ist so hoch wie in Deutschland.“ Dass Göhners Beispiel hinkte, denn in Schweden und den Niederlanden kurbelte der landesweit eingeführte Mindestlohn die Wirtschaft an und stabilisierte die soziale Infrastruktur, störte weder den Arbeitgeberpräsidenten Hundt, noch Göhner selbst, nur die Journalisten bissen an diesem Tag der Zwischenbilanzen beim Zuhören die Zähne aufeinander. Die Beiträge zur Sozialversicherung liegen aktuell insgesamt bei über 40 Prozent, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer seien damit mehr belastet, das Versprechen der „schwarz-roten Koalition, die Marke 40 Prozent der Sozialabgaben nicht zu überschreiten, war nur von kurzer Dauer“, so BDA- Chef Hundt. Die Beiträge der Pflege- und Krankenversicherung trieben die Beiträge hoch, jetzt sollte die Regierung im Gegenzug die Arbeitslosenversicherungsbeiträge senken.

Die Pflegereform setze laut Dieter Hundt „einseitig auf Leistungsausweitung“, „und eine Gesundheitspolitik, die ebenfalls zu höheren Beitragsbelastungen führt,“ hebele die Regierungserfolge der vergangenen Monate aus. Die seit 1. Juli 2008 wirkenden Rentenanpassungen nennt er „die populistische Manipulation an der Rentenformel zulasten der Beitragszahler.“ Der Post-Mindestlohn, der die Wettbewerbsfähigkeit der traditionellen Briefbranche sichern sollte, damit der Markt für andere Mitbewerber geöffnet werden kann, brachte seiner Meinung nicht den angestrebten Wettbewerbseffekt: „Innerhalb eines halben Jahres hat der staatlich verordnete Mindestlohn die Monopolstellung der Deutschen Post AG sogar zementiert. Unter den Folgen haben zahlreiche Wettbewerber zu leiden.“ Die vorgelegten Zahlen in der Pressekonferenz konnten weder Göhner, noch Hundt genauer erklären, zumindest „nach Zahlen der Bundesnetzagentur sind im Briefsektor seit Jahresbeginn rund 6.000 Arbeitsplätze vernichtet worden.“ Betroffen seien nicht nur Unternehmen der Pin-Group, „sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen.“ Der wirtschaftliche Einbruch der Pin-Group resultiere aus verschiedene Betriebswirtschaftlichen Fehlern, stellte ein Journalist der Bundespressekonferenz seinen Fragen voran ,„wie viele Arbeitsplätze wurden mit dem Mindestlohn gerettet? In welchen weiteren Unternehmen sind wie viele Arbeitsplätze aufgrund des Mindestlohns verloren gegangen?“ Es seien keine Arbeitsplätze verloren gegangen, sagte Göhner, „mir liegen keine konkreten Zahlen vor“, sagte Hundt, „es hat aber auch keine zusätzlichen Arbeitsplätze gebracht“, ergänzte Göhner. Er sagte: „Die Arbeitslosen, die beschäftigt waren, sind jetzt jedenfalls wieder arbeitslos“ und die Arbeitslosen, die in den Betriebe angestellt wurden, „haben bei der Pin-Group alle ihre Arbeitsplätze durch die Einführung des Post-Mindestlohns in der Post AG verloren.“

Würde dieses Praxisbeispiel, der zum Teil in staatlichem Eigentum befindlichen Post Aktiengesellschaft (Post AG), "von allen Unternehmern übernommen werden, würde die disaströse Arbeitsmarktpolitik noch größer. Das Berliner Verwaltungsgericht hat im März 2008 den Brief-Mindestlohn als rechtswidrig erklärt, weil abweichende Tarifverträge nicht verdrängt werden dürfen“, fühlt sich Hundt in seiner Meinung bestätigt. „28 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer“ sieht er als eine positive Bilanz der jetzigen Regierung, „die Arbeitslosenzahlen liege so tief wie seit fünfzehn Jahren nicht mehr“, nannte der BDI-Chef die jüngsten Arbeitmarktzahlen der Bundesagentur für Arbeit.
Der Bundessozialminister senke das Mindest-Lonniveau der Post AG aber nicht mehr, sondern wolle mit dem „Entsendegesetz die rechtliche Grundlage schaffen, um den Post-Mindestlohn“ zu retten. Der Gesetzesentwurf für das Entsendegesetz mit dem aktivierten Mindestarbeitsbedingungengesetz seien massive Angriffe auf die Tarifautonomie. Das Mindestarbeitsbedingungengesetz regelt statt alle Arbeitsbedingungen, die Mindestarbeitsentgelte.

Über 80 Prozent aller Arbeitsverhältnisse in Deutschland seien durch tarifvertragliche Regeln bestimmt, das belegten die Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. Die Bedenken zu beseitigen, 20 Prozent der Arbeitsplätze könnten „soziale Verwerfungen nachgewiesen werden“, reichte der Weg der „Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen.“ Hundt wolle nur nicht, dass sich die Gesetzesentwürfe auf die Branchen stürze, „in denen die Tarifautonomie funktioniert und Tarifverträge bestehen.“ Dazu zählt der Arbeitgeberpräsident vom BDA die Zeitarbeit. Die Bundeskanzlerin habe den Korrekturbedarf geäußert: „Tarifautonomie hat Vorrang vor staatlich festgesetzten Löhnen.“ Der Arbeitsminister setze mit seinen Entwürfen die Tarifverträge außer Kraft, „im Ergebnis sind beide Gesetzesentwürfe eine Ermächtigung zur staatlichen Tarifzensur." Gegenüber dem Demokratie Spiegel sagten beide nach der Pressekonferenz, die geschätzten acht Millionen arbeitsfähigen Transferleistungsbezieher, insbesondere die Langzeitarbeitslosen, hätten in "jahrelangen Programmen von dem Tarifniveau profitiert."

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