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Integration ist Partizipation

Der dritte Integrationsgipfel zeigte Integrationsfortschritte

Von Franziska Sylla

Berlin, 6./21./26. November 2008. Nichts genaues weiß man nicht, aber die Idee mit dem Dialog funktioniert. „Es gibt viel Positives“, waren sich alle Pressekonferenzsprecher nach dem dritten Integrationsgipfel am 6. November einig: Kanzlerin Merkel (CDU) und Arbeitsminister Scholz (SPD) mit Maria Böhmer, der Integrationsbeauftragten der Regierung, mit dem sächsischen Ministerpräsidenten und Sprecher aller sechzehn Bundesländer Stanislaw Tillich (CDU) sowie mit den Migrantionsvertretern Mehmet Tanriverdi und Phuog Kollath. Mit über einer halben Stunde Verspätung saßen sie im Informationssaal vor dreißig türkischen und deutschen Hauptstadtjournalisten. Mehmet Tanriverdi ist Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände und koordinierte die gemeinsame Erklärung der Migrantenselbstorganisationen für den ersten Fortschrittsbericht zum Nationalen Integrationsplan (NI). Die Vorsitzende des Vereins „Dien Hong – Gemeinsam unter einem Dach“, vietnamesischstämmiger Migrantinnen aus Rostock, Phuog Kollath, resümierte: „Integration muss in Partizipation“ münden. Es „muss politisch normal sein“, sich zu engagieren, sich politisch weiterzubilden. „Migranten gehören zur Gesellschaft“.

Alle hätten dazu gelernt, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Fünfzehn Monate“ nach der Arbeit, den Nationalen Integrationsplan mit 400 Einzelmaßnahmen zu erstellen, der 2007 vorgestellt wurde, folge jetzt der erste Zwischenbericht. Die Integrationsbeauftragtenstelle direkt dem Bundeskanzleramt zuzuordnen, mache „deutlich, wie wichtig die Bundesregierung das Thema nimmt, es gleich bei der Regierungschefin“ anzusiedeln, sagte Maria Böhmer, wie schon oft, und recht hat sie, auch wenn an diesem Tag die Aussagen zu Wasserstandsmeldungen allgemeiner und konkreter Maßnahmen der Landes- und Regierungsvertreter eher spärlich waren. Möglich, dass die gerade beendete Gipfelkonferenz noch nicht ausgereift reflektiert werden konnte.

Die Ergebnisse sollen messbar, kontinuierliche Evaluationsprozesse einbezogen werden. „Anfang nächsten Jahres wird zu einem Integrationsmonitoring“ geladen, sagte Kanzlerin Merkel. Es wird eine Broschüre geben mit den großen Projekten. Die Bundeskanzlerin wolle weitergehen und „vom Prototyp in die Regelförderung gelangen, diese zentrale Forderung beinhalte die Maßnahmen: Bis 2012 sollen alle Kinder, die in die Grundschule kommen, deutsch können. Die Zahl der Schulbesuchabbrecher soll halbiert werden“, so steige das Bildungsniveau. Es soll Sprachstandardtests geben, „flächendeckend“, ergänzte Tillich.

Wie eine Regierung die Integrationsfortschritte ihres Landes wissenschaftlich begleitet, ist wichtig, das bringt die Zahlen, die rational verarbeitet werden können, die auch die Presse für ihre Artikel benötigt, die eine rekrutierte Leserschaft bedient. Wie sich veränderte Verhaltensweisen bei den Teilnehmern beispielsweise auf Bundesebene zeigen, ist aber sozialpolitisch nicht irrelevant: Die Migrantin Kollath erfuhr in ihrer politischen Arbeit auf landes- und kommunaler Ebene ernst zunehmende Umsetzungsschwierigkeiten, die aus der hohen politischen Position der Migrationsvertreter resultieren, die sich am Nationalen Integrationsplan beteiligen. „Die Arbeit auf Bundesebene ist eben auch die Spitze der Arbeit, in den Ländern und vor allem in den Kommunen ist die Integrationsarbeit noch nicht so angekommen“ sagte die vietnamesischstämmige Rostockerin Phuog Kollath, die neben der Kanzlerin saß.

Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich sah das anders. Als Vertreter der Bundesländer sagte er nach dem dritten Integrationsgipfel nach der Kanzlerin zur Presse: „Der Paradigmawechsel ist da auch gelungen“. Es müsse aber die gegenseitige „Emphatie“ zunehmen. Einerseits zeigten sich die bereits hier lebenden Deutschen den kulturell- und integrationsspezifischen Bedürfnissen und Ansprüchen der Migranten offen, „von Seiten der Migranten“ her, wünschte er sich, dass sie „offen seien, die Deutschen zu verstehen“. Das gegenseitige Offensein sollte auch noch mehr in den Berichten der Medien auftauchen.

Das Internet würde noch nicht gut genutzt werden: „Für die jungen Menschen“, gebe es noch „viel mehr nützliches Wissen“, so Angela Merkel. Tillich und Maria Böhmer nickten zustimmend: „je jünger man ist“, sagte die Kanzlerin, „desto schneller kann man sich was aneignen“.

Tillich sprach selbstverständlich von „Deutschland als Einwanderungsland“, das die Integration vor Ort abwickle. Die Bundesländer haben ihre Verpflichtungen ernst genommen und seien beim „Qualifizierungsgipfel“ im Oktober ein ganzes Stück weiter gekommen, „auch wenn die Einzelheiten nicht so herzlich geklungen haben“, nehmen die Länder die „Abbrecherquote ernst“ und haben sich heute „mit dem Bund darauf geeignet, die Abbrecherquote bis 2011 zu halbieren“.

Außerdem werde in den Ostdeutschen Bundesländern daran gearbeitet, sich für den Fachkräftezuzug stärker zu öffnen und damit „die kulturelle Vielfalt zu stärken. Die Migrationsbürger müssen die „Aufstiegschancen ergreifen „können, die „Voraussetzung dazu ist der Zugang zur Bildung“, sagte Tillich. Über die schulische Bildung hinaus, müssten weitere Angebote geschaffen werden, das gebe „einen weiteren Schub bei der Integration“. Das Beispiel Berlin zeige, Trendwenden seien möglich. Hier habe man „viel über Menschen mit Migrationshintergrund geredet“. Dadurch haben sich die Bürger der „aufnehmenden Gesellschaft, die Mehrheitsgesellschaft, aktiv unterstützt“.

Die Treffen Andersdenkender nicht mehr boykottieren, sondern Streiten in die eigene individuelle Lebenskultur aufgenommen haben und „ihre Kritik und Probleme jetzt offen mit der Bundesregierung besprechen können, dass war im letzten Jahr noch nicht so“, teilte der Chef der Türkisch-Deutschen Gemeinde Kenan Kolat nach der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt den Medienvertretern mit. Vielleicht war damit das Bedürfnis des türkisch-deutschen Verbandspolitikers befriedigt, „mit der Bundesregierung auf gleicher Augenhöhe zu reden“, wie er vergangenes Jahr forderte, nicht eingelöst fühlte und dem 2. Integrationsgipfel fernblieb.

Fast zwei Stunden habe die Konferenz mit „160 Gästen“ gedauert, so Bundeskanzlerin Merkel, mit „200“, wie Staatsekretärin Maria Böhmer gezählt haben mag oder mit „116“, wie Kolat von der Deutsch-türkischen Gemeinde wußte: „Ich habe die Teilnehmer extra gezählt“ in diesem Jahr.

Kritik äußerte nach der Pressekonferenz der Vorstand der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religionen, Bekir Alboga, der auch an der Islamkonferenz teilnimmt, die vom Bundesinnenministerium veranstaltet wird. Ihm seien die umgesetzten Maßnahmen zum Staatsangehörigkeitsverfahren zu einseitig. Man könne „von Menschen nicht verlangen, die andere abzugeben“. Am Beispiel einer 60-jährigen Frau machte er seine Meinung deutlich: Das Verfahren der doppelten Staatsangehörigkeit laufe dem Wunsch zur Integration konträr, die betreffenden Personen würden von den Behörden bedroht, Deutschland zu verlassen. Das sei eine Hürde. Alboga sei aber bewußt, dass Verwaltungsangelegenheiten bei jedem Bürger, insbesondere wenn Fragen oder Anforderungen tatsächlich fehlerhaft seien, immer unangenehme Gefühle verursachen, unabhängig von dem Status der Staatsangehörigkeit.

Positiv war Kenan Kolat noch aufgefallen: „Es geht jetzt nicht mehr nur um sicherheits- und ordnungspolitische Fragen, die dem Bundesministerium des Innern zugeordnet sind, sondern um gesellschaftspolitische Fragen, die in alle Ministerien hineinreichen“.


Welche Ziele sollen weiterhin verfolgt werden, was will die Bundesregierung umsetzen?
Die Anerkennung von Schul- Studien- und Berufsleistungen, damit Umzüge in andere Bundesländer innerhalb Deutschlands, aber auch ausländische Fachkräfte einen leichteren Zugang zum Bildungs- und Berufsleben haben, hieß es am 6. November. Grundsätzlich würden laut siebten Bericht zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, im Auftrag der Integrationsbeauftragten, „berufliche und schulische Qualifikationen bei der Ankunft nicht erhoben“. Diese Problematik wurde auch im Nationalen Integrationsplan als das zehnte und abschließende Thema aufgenommen, unter der Überschrift: Wissenschaft – weltoffen. Die passende Arbeitsgruppe dazu wird unter dem gleichen Namen geführt (siebter Bericht, Punkt: 3.8.6, Seite 112ff).

Der Bedarf wird klar anerkannt und vor dem Hintergrund eines Fachkräftemangels als „Brache im Erwerbssystem“ bezeichnet: „Diese Nichtanerkennung beruflicher Qualifikationen erschwert, beziehungsweise verhindert, nicht nur individuell die Aufnahme einer dem Bildungsstand entsprechenden Erwerbstätigkeit, sondern bedeutet in volkswirtschaftlicher Perspektive, dass erhebliche Qualifikationsressourcen im Erwerbssystem brachliegen“. In der dazugehörigen Fußnote steht die Datenquelle: Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), Effekte der Migrationssteuerung bei Erwerbstätigen durch das Zuwanderungsgesetz, Expertise im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, von Max Steinhardt und weitere Autoren vom November 2005, Seite VI.

Auf der EU-Ebene würde laut siebter Bericht für Ausländerinnen und Ausländer im Rahmen des Bologna-Prozesses die Vergleichbarkeit von Hochschulabschlüssen vorangetrieben und mittelfristig auch für den Bereich der beruflichen Abschlüsse ein europäischer Qualifikationsrahmen eingeführt. Das Annerkennungswesen für im Ausland erworbene Berufs- und Hochschulabschlüsse in Deutschland sei mehr als unübersichtlich. In der Fußnote dazu heißt es, in den europäischen Nachbarländern ist dies zum Teil anders. So gebe es zum Beispiel in Dänemark seit 2004 Kompetenzzentren für Zugewanderte, in denene berufliche Qualifikationen bewertet und auch praktisch getestet werden. Frankreich erprobe derzeit Kompetenzbilanzen, das sei ein qualifikationsbezogenes Profiling bei der Einreise.

Das Informationsangebot zu den Anerkennungsmöglichkeiten- und Zuständigkeiten für Zuwandernde in Deutschland sei schlecht, heißt es im siebten Bericht auf Seite 113 weiter. Gesetzliche Vorgaben zu den Anerkennungsverfahren gebe es für Spätaussiedlerinnen, die einen Rechtsanspruch auf Annerkennungsverfahren in allen Berufen haben sowie hinsichtlich bestimmter Berufe auch für Unionsbürgerinnen. In weiten Teilen sei für Zugewanderte die Anerkennung ihrer Qualifikationen auf dem freien Markt erschwert und abhängig von der Bereitschaft und die Fähigkeit individueller Arbeitgeber, die fremdsprachige Zeugnisse akzeptieren und ausländische Ausbildungen bewerten müssen. Die formale Vergleichbarkeit von Berufsausbildungen und Annerkennung beruflicher Zeugnisse habe Deutschland bilateral mit Österreich, Frankreich und der Schweiz, im Bereich Handwerk geregelt, hier böten die Kammern informelle Hilfestellungen an. Für Akademikerinnen mit ausländischen Abschluss, die unmittelbar einen Arbeitszugang suchten, fehle ein einheitliches Anerkennungsverfahren.



Hintergrund
Die wichtigsten Stationen der Integrationspolitik seit 2005
Merkel beruft die Bundestagsabgeordnete Maria Böhmer als Staatsministerin in die Bundesregierung. Genauer: Maria Böhmer bekommt die Arbeitsstelle einer Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und ihren Dienstsitz im Bundeskanzleramt. Vorher wurde die Integrationspolitik, die heute immer öfter als Einwanderungspolitik bezeichnet werden darf, als Ausländerpolitik im Bundesministerium des Innern abgewickelt. Dementsprechend hängen die Abteilung des Bundeskanzleramtes mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, kürzer Bundesamt für Migration, und einige Ressorts besonders eng mit dem Innenministerium zusammen, so heißt das dem Bundesinnenministerium zugeordnete Amt für Einwanderungspolitik auch Bundesamt für Migration, Flüchtlinge und Integration.

Der erste Integrationsgipfel 2006 war für einige Migrationsvertreter eine „Blabla -Show“, für die Bundeskanzlerin haben „manche sich gerade zum ersten Mal kennen gelernt“. Beim zweiten Integrationsgipfel boykottierten einige türkischstämmige Migrationsvertreter den Gipfel und der Nationale Integrationsplan wurde der Öffentlichkeit vorgestellt. Zwischendrin starteten integrationsspezifische Werbkampagnen, die teilweise aus Mitteln des Sozialfonds finanziert werden. Eine heißt Vielfalt als Chance und unterstützt die Vielfalt in deutschen Unternehmen. Diese integrationspolitische Maßnahme begann im „Europäischen Jahr der Chancengleichheit 2007 und endet Dezember 2008. (LÄ 26.11.08, fs, 18.30)

Weiterführende Links/Portale:
» www.integrationsbeauftragte.de
» www.nationaler-integrationsplan.de
» www.bamf.de
» www.bundesregierung.de
» www.bmfi.de (7. Bericht über die Lage der Ausländer, BMFI)
» www.vielfalt-als-chance.de
» www.aktion-zusammen-wachsen.de
» www.einbuergerung.de


MedienModulinfo_TIP:
Zum ersten Mal trafen sich islamische und katholische religiöse Vereinigungen, um „alle Missverständnisse und Uneinigkeiten zu beseitigen“.

Am 24. November lud die Integrationsministerin zum Kongress ihrer Initiativenteilnehmer zum Erfahrungsaustausch, die unter der Dachkampagne "Aktion Zusammenwachsen" startete. Der Demokratie Spiegel schaute bei diesem Kongress vorbei.

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