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Ohne Einwanderungspolitik zur Integration

Ein Amt im Wandel
30 Jahre Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Von Franziska Sylla

Berlin, 17./21./24./25.12.2008. Noch nie hat ein Bundeskanzler ein Jubiläum des Migrationsamtes besucht. Zum dreißigsten Bestehen hielt Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch, den 17. Dezember 2008, sogar die Festrede im Kanzleramt vor über zweihundert geladenen Gästen. Raum einnehmend prangten hinter ihr die üppigen, weißen Buchstaben von der hellblauen Wand im Infosaal: „Ein Amt im Wandel“.

Eine Musikergruppe des Internationalen Ensembles „Quanela“ stimmte auf den Festakt ein: Sechs Minuten lang, bis vier vor zwölf. „Gut gewürzt“ und daher „passt der Name „Zimt“, wird Integrationsministerin Maria Böhmer (CDU) später sagen. Ein Handy klingelte melodisch in der unerwarteten Pause, dann noch eines. Um zwölf Uhr trat Maria Böhmer im hellen Jackett und gut geschminkt ans extra aufgebaute Rednerpult.

Die Aufgaben der amtierenden Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration wurden seit ihrem Amtsantritt 2005 erstmals dem Bundeskanzleramt zugeordnet und Maria Böhmer bekam die Stelle einer Staatsministerin und den ständigen Zugang zum Bundeskabinett. Diese institutionelle Aufwertung war neu, neu war auch, dass die Regierungsbeamten überhaupt den Einschätzungen und Maßnahmekonzepten, der eigens berufenen Integrationsbeauftragten sogleich Gehör schenkten und tatkräftig, ja, selbstverständlich und Ministerien übergreifend unterstützen.

Maria Böhmer blickte vom Podium frontal zur TV-Pressebühne und damit auch immer wieder zur Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die in der ersten Reihe vor ihr saß. Im Redemanuskript steht auf Seite eins das Wort „leidenschaftlich“, und, wie üblich, „gilt das gesprochene Wort“. Wann stand dieses emotional anmutende Wort zuletzt in einer Rede aus dem Mitarbeiterstab für Ausländerpolitik und Migration? War und sind es nicht gerade die Emotionen, die zu vielen negativen Integrationskarrieren führten und Missverständnisse erzeugten? Papierseiten raschelten, Katharina Ugowsky, die Assistentin von Maria Böhmer, las interessiert in einer Zeitung. War die Rede ihrer Chefin so langweilig? Nein. Sie las die Sonderbeilage der größten und auch in Deutschland einflussreichsten, türkischen Boulevardzeitung „Hürriyet, die dieses Mal zweisprachig erschien, eine Seite auf türkisch und eine Seite auf deutsch“, sagte Integrationsministerin Böhmer. Einige türkische Journalisten suchen lächelnd den Blickkontakt zu ihren deutschen Kollegen und alle Besucher lauschten der Rede über die Rückschau mehr gewordener Gemeinsamkeiten, der Saal war jedenfalls still. Der Tag, der mit einem Stehempfang ausklingen sollte, beleuchte laut Skript die klassischen Fragen: Was hat sich verändert? Was muss sich verändern? Und welche Kontinuitäten zeichnen das Amt aus?

In den Jahren von 1955 bis 1973 warb die junge Bundesrepublik Deutschland „mit Hilfe der Bundesanstalt für Arbeit ausländische Arbeitskräfte zur Beschäftigung“ an, heißt es in der Broschüre zu 30 Jahre Amt im Wandel von der Bundesregierung, Stand Dezember 2008. 1973 sei ein Anwerbestopp beschlossen worden, die Zahl der ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer habe damals 2,6 Millionen betragen, „die der ausländischen Wohnbevölkerung insgesamt rund 4 Millionen“. Aus befristeten Beschäftigungen wurden Daueraufenthalte, Familienangehörige zogen nach, neue Familien gründeten sich, doch eine begleitende Einwanderungspolitik gab es nicht.

Die Zugewanderten mussten sich überwiegend selbst helfen, die Einheimischen waren in ihren Lebenswelten allein gelassen, die strukturellen Veränderungen der aufeinandertreffenden Kulturen schaffte Schwierigkeiten bei der Wohnungs- und Gesundheitsvorsorge, „in den Schulen und im Verhältnis zwischen Deutschen und Ausländern“, die zu einem Konfliktpotential heran wuchsen. In den 1970er Jahren forderte der CDU-Bundestagsabgeordnete Dieter Hussing, einen Ausländerbeauftragten zu berufen, doch erst 1978 begannen die Tätigkeiten des ersten Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, nachdem das Bundeskabinett offiziell die Integrationsprobleme anerkannt hatte. Der erste Mitarbeiter in dieser Position, Heinz Kühn, war früher Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen. Er arbeitete unter dem Amtstitel: Beauftragter zur Förderung der Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihren Familienangehörigen und war dem damaligen Ministerium für Arbeit und Sozialordnung zugeordnet. Heinz Kühn verfügte über zwei Mitarbeiter, und sollte sich ressortübergreifend mit der Lage der ausländischen Bevölkerung auseinandersetzen und Lösungsvorschläge erarbeiten, heißt es auf Seite 9 der Broschüre Amt im Wandel. Der Blick war bis 1978 auf die arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkte beschränkt, Kühns Team sollte alle Lebensbereiche berücksichtigen, die Mitwirkung der Bürger mit Migrationshintergrund, wie sie heute heißen, gewinnen, sowie den einheimischen Bürgern die Integration bewusst machen.

Der erste Migrationsbeauftragte Heinz Kühn hatte keinen Einfluss auf die unmittelbare Gesetzgebung und Verwaltung, er unterstützte lediglich das Arbeitsministerium. Nach zehn Monaten legte Kühn das Amt im Dezember 1979 wieder ab. In seinem Memorandum „Stand und Weiterentwicklung der Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien in der Bundesrepublik Deutschland“ beschrieb er die Arbeitnehmeranwerbung als eine unumkehrbare Entwicklung, die Einwanderung ein Fakt, der akzeptiert werden müsse. Er sah Angebotsdefizite zur vorbehaltlosen und dauerhaften Integration. Heinz Kühn forderte die Einbürgerung in Deutschland geborener Kinder und ein kommunales Wahlrecht für Ausländer mit längerem Aufenthalt. Ein Großteil seines Memorandums beinhalte Maßnahmevorschläge für Kindergärten, Schulen und berufliche Ausbildungsstätten. Heinz Kühn wurde 1980 Europaabgeordneter.

Maria Böhmer sagte am 17. Dezember 2008 im Kanzleramt, es gebe „drei Dinge, die allen Beauftragten ein Anliegen waren und sind: Die Integration der Zuwanderer“ als eine politische Schlüsselaufgabe zu verstehen, „sich einzelner Schicksale“ anzunehmen sowie die Bildung und Ausbildung „der Kinder und Jugendlichen“. Und dann sagte sie den Satz mit dem emotionalen Wort: Die Ausländer- und heutigen Integrationsbeauftragten waren und sind „dem Thema leidenschaftlich verbunden“, darauf konnten und können sich alle verlassen.

Die zweite Integrationsbeauftragte Liselotte Funcke übernahm 1980 das Amt und übte es zehn Jahre aus, wobei auch sie weniger gestalten konnte, als sie wollte. Die Arbeit der ehemaligen Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Landeswirtschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen, wurde zum einen blockiert, weil die Regierungsmitarbeiter nicht wahrhaben wollten, dass Deutschland ein Einwanderungsland wurde und eine Integrationspolitik benötigte. Zum anderen wurde die Bedürfnisse der Migrantenfamilien nach einer abgesicherten Existenz ignoriert - die Voraussetzung für eine gelingende Integration - dazu gehöre auch, die Begabungen der Migranten anzuerkennen. Die heute 90-jährige Lieselotte Funcke legte das Amt 1991 in einer Auseinandersetzung mit der Regierung nieder, heißt es in der Broschüre, deren Text unter anderem auf Beiträge von Bernd Geiß, langjähriger Referatsleiter im Arbeiterstab der Ausländerbeauftragten aus dem Jahre 2001 basieren⊃2;.

Bei ihrem Rücktritt forderte Lieselotte Funcke, „die Querschnittsaufgabe Integration mit einem Sitz im Kabinett zu verbinden“, sagte Maria Böhmer bei ihrer Rede im Kanzleramt am 17. Dezember. Erst Bundeskanzlerin Angela Merkel entschied 2005, die Integrationsbeauftragte an den Kabinettstisch Platz nehmen zu lassen. Funckes Erfahrungsberichte und Prognosen zur demografischen Entwicklung „lesen sich heute wie eine Begründung“ eines Einsatzes der Kommission „Zuwanderung“ durch den Bundesinnenminister im Jahr 2000, steht in der Jubiläumsausgabe Amt im Wandel. Funcke hatte den CIVIS-Rundfunk- und Fernsehpreis für Verständigung mit Ausländern, welcher heute unter dem Motto „Leben in der kulturellen Vielfalt – Achtung des anderen, veranstaltet wird, mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, der Freudenberg Stiftung und der Ausländerbeauftragten der Regierung ins Leben gerufen. Damit bekam die Ausländerdebatte mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Der CIVIS-Preis ist heute ein europäischer Medienpreis für Integration und kulturelle Vielfalt.

In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurde die Zusammenarbeit zwischen der Ausländerbeauftragten mit den Wohlfahrtsverbänden und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) enger. Es wurden ein- bis zweimal jährlich Treffen organisiert, bei denen die Beauftragte des Bundes mit denen der Länder- und Kommunalvertreter zusammen kamen, die heute ein Netzwerk der Information und Zusammenarbeit für alle Ausländerbeauftragten bildeten. In einem Schreiben vom 17. Juni 1991 an Bundeskanzler Helmut Kohl, in dem sie ihr Amt als Beauftragte zurück gab, wies Funcke daraufhin, dass es beunruhigende und enttäuschende Entwicklungen in der Bevölkerung zwischen Ausländern und Deutschen gebe. Die Fremdenfeindlichkeit in den fünf neuen Bundesländern verstärkten dieses Signal; Die mangelnde Unterstützung von seitens der Regierung, die unzulängliche Amtsausstattung und die Konzeptlosigkeit der Regierung waren ihre Rücktrittsgründe. In dem „Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für die Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen“ stellte sie fest, die zukünftige Wanderbewegung würde von Süden nach Norden und von Osten nach Westen verlaufen, Gesetze und Abweisungen an den Grenzen würden weder menschlich noch politisch gestoppt werden können. Es fehlten jedoch Konzepte, weil die Regierung unter Helmut Kohl betonte, Deutschland sei kein Einwanderungsland, da es keine offenen Grenzen gebe. Funcke erklärte, dass die Einwanderung nach Deutschland ungeregelt und nicht kontingentiert erfolge, diese Tatsache löse Angst in der deutschen Bevölkerung aus. Die Politiker formulierte aber keine klaren Ziele (Broschüre: Amt im Wandel, Seite 15). Sie schlug eine interministrielle Beratungsabteilung vor, die im Kabinett vertreten sein und sich allen Zuwanderungs- und Integrationsproblemen zuwenden sollte. Sie empfahl eine ständige Anlaufstelle für Migration und Integration und eine europäische Migrationspolitik.
Einige Forderungen von Lieselotte Funcke wurden von der dritten Amtsträgerin, Cornelia Schmalz-Jacobsen, umgesetzt. Schmalz-Jacobsen war vorher Bundestagsabgeordnete und davor Senatorin für Jugend und Familie in Berlin. Mit Kabinettbeschluss vom 14. November 1991 wurde sie zuständig für die ausländischen Arbeitnehmer, die übrigen Ausländer, die sich aufgrund einer Aufenthaltserlaubnis, einer Aufenthaltsberechtigung einer bilateralen staatlichen Vereinbarung oder einer EG-rechtlichen Vereinbarung in Deutschland aufhielten. Damit wurde ihr Aufgabenbereich erweitert, die Asylbewerber und Flüchtlinge blieben jedoch außen vor. Die Beauftragte sollte die Regierungsarbeit unterstützen und Anregungen für eine europäische Ausländerpolitik entwickeln.

Cornelia Schmalz-Jacobsen war „in einer Zeit schrecklicher fremdenfeindlicher Anschläge“ ins Amt getreten, sagte Maria Böhmer in ihrer Rede am 17. Dezember im Bundeskanzleramt, „dass sie nicht in die Vergangenheit angehören, hat der brutale Anschlag auf den Passauer vergangenes Wochenende gezeigt. Im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus dürfen wir nicht nachlassen“.

Die Beauftragte Schmalz-Jacobsen sollte in den 1990er Jahren Ansprechpartnerin für die Regierung sein, aber auch die Initiativen zur Integration auf Länder- und kommunaler Ebene sowie die gesellschaftlichen Gruppen deutscher und ausländischer Initiativen zusammen bringen. Die Mithilfe bei Rückführungen entfiel, dafür durfte Schmalz-Jacobsen an den Vorbereitungen von Gesetzen und Rechtsverordnungen mitarbeiten und wurde vermehrt in die Arbeitsbereiche miteinbezogen. Fünf weitere Mitarbeiter wurden ihr zugestellt, die Ausstattung insgesamt verbessert und der Name 1992 des Amtes geändert und hieß nun: Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Ausländer.

Außerdem wurde 1992 eine Außenstelle in Berlin eingerichtet, um die durch den Beitritt der DDR entstandenen Herausforderungen räumlich näher zu sein⊃3;. In den 1990er Jahren registrierte die Bundesrepublik laut Broschüre Amt im Wandel die höchste Zuwanderungsrate. 1992 und 1993 wurden die häufigsten und gewalttätigsten, fremdenfeindlichen Straftaten verübt. Die teilweise sehr emotional geführte Ausländerdebatte strebte ihrem Höhepunkt zu. Hinzukamen die Flüchtlinge nach Deutschland aus den ehemaligen Jugoslawien. 1993 machte Schmalz-Jacobsen Ergänzungsvorschläge zum Staatsangehörigkeitsrecht, das die Einbürgerung für in Deutschland geborener Kinder erleichtern sollte und eine Mehrstaatlichkeit hinnehme. Ihr erster Bericht: Jugend ohne deutschen Pass – Bestandsaufnahme und Perspektive für ein Land, das Einwanderer braucht, Dezember 1992, enthält Vorschläge ihrer Vorgänger, die sie zu einem „Gesamtkonzept Zuwanderung“ zusammenfasste. Cornelia Schmalz-Jacobsen kümmerte sich um die Öffentlichkeitsarbeit ihres Amtes zu den Themen: Ausländerrecht, Einbürgerung, Kriminalität, Fragen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, Gesundheit und Migration, interkulturelle Öffnung sozialer Dienste, Diskriminierung von Ausländern in der Kfz-Versicherung, Doppelstaatsangehörigkeit und Wehrpflicht, Bildungs- und Ausbildungssituation und der Erwerb der deutschen Sprache (Amt im Wandel, Seite 19).

Als Datengrundlage nahm sie die jährlich veröffentlichten „Daten und Fakten zur Ausländersituation“, ein Handbuch über Migration und Integration in Zahlen“ (1997), ein mit der Fernuniversität Hagen 1997 herausgegebenes Lexikon „Ethnische Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland“ sowie drei an den deutschen Bundestag erstatte Berichte über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer. 1995 organisierte sie ein Symposium zum 40. Jahrestag der Ausländeranwerbung unter dem Titel: Heimat: Vom Gastarbeiter zum Bürger. 1996 lud sie nach Bonn ein, um die unzulängliche Situation von Drittstaatlern innerhalb der Europäischen Union zu erörtern. In ihrer Schrift „Ausländerbeauftragte anderer Länder“ stellte sie vergleichbare Aufgaben und Stellen vor, so dass ein Berufsbild für kommunale Beauftragte entwickelt werden konnte.

Im November 1997 wurde die Position einer Ausländerbeauftragten der Bundesregierung gesetzlich geregelt und ins Ausländergesetz aufgenommen (§§ 91a bis 91c). Der Amtstitel änderte sich in: Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen. Schmalz-Jacobsen Aufgabengebiet wurde erweitert, die Bundesministerien dazu verpflichtet, sie bei der Integrationsarbeit zu unterstützen. Schmalz-Jacobsen unterbreitete nun der Bundesregierung Vorschläge und Stellungnahmen, per Bundestagsbeschluss von 1993 erhielt sie alle zwei Jahre Berichterstatterrecht im Parlament. In ihrem Memorandum zum Ende ihrer Amtszeit: Integration – Grundvoraussetzung ohne Alternative, August 1998, bemängelt sie, dass es keine klare Beschreibung von Mindestanforderungen für die soziale Integration gebe. Dazu zählte sie die Achtung der Normen und Werte, wie sie die Verfassung festschreibt: Menschenwürde, Gleichheit aller Menschen, Demokratie als politisches Ordnungsprinzip und Wahrung des Rechtssystems. Der Spracherwerb sei eine Integrationsleistung, die verlangt werden müsse, weil sie auch zur größten gesellschaftlichen Anerkennung führe und sie letztlich bedinge.

Unter dem Stichwort „Europäisierung der Asyl-, Migrations- und Integrationspolitik“ forderte Schmalz-Jacobsen (Amt im Wandel, Seite 23) rechtliche Vereinbarungen zur Asylgewährung und Flüchtlingsaufnahme. Der Prozess der Globalisierung und die gemeinsame europäische Migrationspolitik machten deutlich, die Außengrenzen und die Immigranten würden nicht aufzuhalten sein. Es sei notwendig, die Zuwanderung auf rechtliche Grundlagen zu stellen, die mit Hilfe flexibler Quotensysteme und Auswahlkriterien zu lenken und zu begrenzen seien. Sie forderte wie ihre Vorgänger ein Bundesamt für Migration und Integration und eine ständige Expertenkommission, damit die Zuwanderungsregeln regelmäßig angepasst werden könnten.

Die Beauftragte sah die Gefahr einer Zwei-Klassen-Ausländergesellschaft kommen, wenn die Rechte Drittstaatler, die Mehrheit der in Deutschland lebender Ausländer, nicht verbessert würden; Diese Ungleichbehandlung dürfe Deutschland nicht gleichgültig sein. Mit Ende der 13. Legislaturperiode schied sie 1998 aus dem Amt. Cornelia Schmalz-Jacobsen habe gezeigt, „dass die Integrationsbeauftragten auch immer Vordenkerinnen sind“, sagte Integrationsministerin Böhmer am 17.12.2008, in Berlin.

Mit dem Regierungswechsel 1998 trat Marie-Luise Beck das Amt an. Sie gestaltete Gesetzesänderungen mit, „insbesondere das Staatsangehörigkeitsrecht und das Zuwanderungsgesetz“, sagte Maria Böhmer, dessen erfolgreichster Bestandteil die Integrationskurse seien. „Eine halbe Million Menschen nimmt an den Kursen teil oder hat sie bereits abgeschlossen“, sagte Maria Böhmer. Die Migrationsbeauftragte Marie-Luise Beck bekam unter der SPD-Bündnis 90/Die Grünen, einen 20-köpfigen Mitarbeiterstab und zog im September 1999 von Bonn nach Berlin um. Im selben Jahr veröffentlichte Beck den jährlichen Migrationsbericht mit den Zu- und Abwanderungszahlen und trug dazu bei, die Zuwanderungsdebatte zu versachlichen. Weitere Veröffentlichungen folgten zu den Themen Gesundheit, Bildung, Arbeit und zum Amtsende November 2005 zur Religion: Islam einbürgern – Auf dem Weg zur Anerkennung muslimischer Vertretungen in Deutschland.

In der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Oktober 1998 wurde neunzehn Jahre nach Hein Kühns Amtsantritt der unumkehrbare Zuwanderungsprozess anerkannt. Ins Zentrum der neuen Integrationspolitik sollte das Staatsangehörigkeitsrecht stehen, Drittstaatenangehörige sollten das Wahlrecht in Kreisen und Kommunen erhalten, das Ehegatten-Aufenthaltsrecht sollte reformiert werden. Unter dem Stichwort „Minderheitenrechte“ wurde in der Koalitionsvereinbarung ein Gesetz gegen Diskriminierung angekündigt, dass die Hautfarbe und ethnische Zugehörigkeit berücksichtigte. Kaum war die nationale Gesetzgebung in die Hand
genommen, wurde die Arbeit der Ausländerbeauftragten der 14. Legislaturperiode von der Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik der europäischen „Vergemeinschaftung“ beeinflusst, die zentrale Rechtssetzungsprozesse auf EU-Ebene zu Unionsbürgern sowie zu Drittstaatangehörige einforderte. Marie-Luise Beck verabschiedete elf EU-Richtlinien zu Drittstaatenangehörige, die in der 16. Legislaturperiode in nationales Recht umgesetzt wurden (Amt im Wandel, Seite 25).

1999 wurde die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts beschlossen. Seit Januar 2000 gilt zusätzlich zum Abstammungsprinzip, ius sanguinis, das Geburtsrecht, ius soli. Ab diesem Zeitpunkt werden in Deutschland geborene Kinder von ausländischen Eltern im allgemeinen mit der Geburt automatisch Deutsche. Die Mehrstaatlichkeit wurde abgelehnt, insgesamt aber näherte sich diese Reform den europäischen Standards (Amt im Wandel, Seite 26). Das Arbeitsverbot für Asylbewerberinnen wurde wieder aufgehoben (Seite 27), die Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt wurden verbessert. Beck wies auf Schutzlücken im deutschen Flüchtlingsrecht in den Bereichen der nichtstaatlichen und geschlechtsspezifischen Verfolgung hin und rief zu einem integrationspolitischen Dialog auf. In ihrem „Bericht über die Lage der Ausländer der Bundesrepublik Deutschland, Februar 2000, stellte sie dem Deutschen Bundestag „Leitlinien der Integrationsförderung“ vor. Im Dezember 2000 veröffentlichte sie die „Eckpunkte für eine Integrationsgesetzgebung“, die im späteren Zuwanderungsgesetz aufgenommen wurden.

Beck organisierte 1999 und 2000 Informationskampagnen zur Einbürgerung mit dem Erfolg, dass die Einbürgerungszahlen innerhalb eines Jahres um knapp dreißig Prozent auf 187.000 anstiegen. Die in der Koalitionsvereinbarung genannte Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung ging in die EU-Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgesetzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft ein, wurde aber erst 2006 in nationales Recht umgesetzt. Maria Böhmer zitierte in ihrer Rede im Bundeskanzleramt aus dem Memorandum von Marie-Luise Beck 2005: „Es geht nicht um das Ob, sondern allenfalls um das Wie von Integration“. Bei der Amtsübernahme haben sich beide darüber „ausgetauscht“, sagte Böhmer und so habe sie gewusst: „Hier geht es um schwierige, umstrittene Themen. Und alle Beauftragten hatten mit mangelnder politischer und gesellschaftlicher Unterstützung zu kämpfen“.

Als Bundeskanzler Gerhard Schröder die Green-Card im Jahr 2000 vorschlug, erneuerte sich die Zuwanderungsdebatte. Das Bundesinnenministerium setzte eine unabhängige Kommission „Zuwanderung“ unter Leitung der früheren Bundespräsidentin Rita Süßmuth ein, die Maßnahmevorschläge zu Migration, Integration erarbeiten sollte. Im Juli 2001 stellte die Kommission ihre Handlungsempfehlungen vor, die Tatsachen der ungünstigen demografischen Entwicklungen miteinbezogen sowie bestehende und zukünftige Arbeitskräftemängel bestimmter Arbeitsmarktsektoren. Der Entwurf ging ein in die Debatte um ein Zuwanderungsgesetz, das dann 2005 als „Allparteienkompromiss“ in Kraft trat. (Amt im Wandel, Seite 29).

Der Gesetzesentwurf 2001 „Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern“, kurz „Zuwanderungsgesetz“ enthielt einige Ergebnisse der Kommission „Zuwanderung“. Für Kritiker seien zu liberale Bestimmungen bei der Arbeitszuwanderung⊃3; enthalten gewesen, die Aufnahme von Flüchtlingen beziehungsweise Asylsuchenden sowie das „Rückkehrmanagement“ seien dagegen verschärft worden. (Amt im Wandel, Seite 28)

Mitten in der Debatte zum Gesetzesentwurf fiel der Anschlag auf das World Trade Center in New York (USA) vom 11. September 2001. Deutschland reagierte mit zusätzlichen sicherheitspolitischen Restriktionen in den Antiterrorbereichen und schufen die Sicherheitspakete I und II. Integration wurde zur gesetzlichen Aufgabe erklärt und die Verwaltung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dem ehemaligen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg, konzentriert. Ein „Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration (Zuwanderungsrat) wurde 2002/2003 berufen, der die migrationspolitischen Entwicklungen begleiten und dann im Jahr 2004 ein Jahresgutachten erstellen sollte (Amt im Wandel, Seite 29). Der vor dem
Bundestagswahlkampf 2002 umstrittene Gesetzesentwurf passierte zwar den Bundesrat, wurde dann aus formalen Gründen durch das Bundessverfassungsgericht im Dezember 2002 für nichtig erklärt. Der zweite, fast textgleichen Entwurf, wurde dem Vermittlungsausschuss weiter geleitet, der seine Beratungen im Oktober 2003 begann.

Seit dem 1. Januar 2005 gilt das neue „Zuwanderungsgesetz“. Es soll das Genehmigungsverfahren zur Ausübung einer Beschäftigung vereinfacht worden sein, ebenso das Zuzugsrecht von Kindern erleichtert. Beim Familiennachzug aus humanitären Gründen gab es trotz Anwendung der Genfer Flüchtlingskonventionen und berücksichtigen nichtstaatlich und geschlechtsspezifisch verfolgter Personen weitere Einschränkungen, ebenso blieb die von Kirchen- und Flüchtlingsverbänden kritisierte Kettenduldungspraxis bestehen. Verbessert wurde das Integrationsangebot und die seit dem 1. September 2005 vom Bund angebotenen Integrationskurse, in denen Zuwanderer neben der deutschen Sprache, die Geschichte, Kultur und das politische System vermittelt werden (Seite 29).

Mit Beginn der 15. Legislaturperiode wurde Marie-Luise Beck zur Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend benannt, die Aufgaben als Integrationsbeauftragte nahm sie ehrenamtlich wahr. Laut Broschüre Amt im Wandel, Seite 30, habe der Wechsel der Beauftragten zum „Gesellschaftsministerium“ BMFSFJ inhaltlich die Bezugspunkte von der Sozialpolitik zur Bildungs-, Ausbildungs- und Arbeitsförderung über die Kinder-, Jugend- und Frauenpolitik bis hin zur Stadtentwicklung und mit dem Verbraucherschutz miteinander verbunden. Die Querschnittsaufgabe Integration wurde Realität. Im Umgang mit den kulturellen, sprachlichen und religiösen Unterschieden taten sich Öffnungen zu allen gesellschaftlichen Bereichen auf, die Beauftragte bereitete den Umgang der Vielfalt in der Einheit vor. Im Memorandum „Integrationspolitik als Gesellschaftspolitik in der Einwanderungsgesellschaft“, Oktober 2005, legte Marie-Luise Beck die Leitbilder, Ziele und Handlungsfelder fest, mit denen der gemeinsame Weg gegangen werden könnte. Die gesellschaftlichen Institutionen Kindergarten, Schule, Ausbildungsstätten, Arbeitsmärkte, Arbeitslosenmärkte,

Krankenhäuser und Altenheime müssten in die Lage versetzt werden, den Pluralismus produktiv zu nutzen und sich interkulturell zu öffnen, heißt es darin.

Die Städte müssten ihre Städte zu Orten sozialer Integration machen, das Bildungssystem den Umgang mit der wachsenden gesellschaftlichen Vielfalt lernen. Die Integrationspolitik sei mehr als Ausländer- oder Minderheitenpolitik, mehr als Sprachförderung und Eingliederungshilfe. Integrationspolitik in der Einwanderungsgesellschaft betreffe alle Politik- und Lebensbereiche und müsse als Querschnittsaufgabe verankert werden. „Nach 50 Jahren Einwanderung lautet die „conditio sine qua non“ jeder Integrationspolitik: Einwanderer sind Teil dieser Gesellschaft, sie gehören selbstverständlich dazu. Es geht nicht um das Ob, sondern allenfalls um das Wie der Integration.“ (Amt im Wandel, Seite 31)

16. Legislaturperiode. Die Ausgangspunkte für die ehemalige Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Maria Böhmer (CDU/CSU) waren im Jahre 2005 europäischer geprägt: In Frankreich setzen radikale Vorstädte in Brand und in Deutschland habe man sich gefragt, heißt es in ihrem Redemanuskript vom 17. Dezember, ob dies auch in Deutschland geschehen könne. Im Jahr 2006 kam der Mikrozensus heraus. Er hatte „in den Blick gerückt“, was vorher nur Ahnung war. Fast 20 Prozent der Bevölkerung und jedes dritte Kind „lebten in einer Zuwandererfamilie“, sagte Maria Böhmer. Es war klar, Deutschland muss Integrationsland sein, „viele Zuwanderer sind gut integriert und gehen ihren Weg“. Die andere Seite der Medaille zeige aber, 40 Prozent junger Migranten haben keinen Berufsabschluss, Kinder und Jugendliche sprechen schlecht deutsch, obwohl sie hier geboren sind. Es mache sich eine Perspektivlosigkeit unter den Jugendlichen breit, eigene berufliche und soziale Lebenswege zu gestalten, die mit der Ablehnung des Landes und der überwiegenden Wertehaltung einhergehen soll.

Maria Böhmer wollte am 17. Dezember nicht nur die Probleme benennen. Sie wolle die Potenziale nutzen und die Vielfalt und Chance begreifen. „Als eine Bereicherung erfahren, das kann die Politik nicht alleine, notwendig ist eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung“. Und dazu gehört reden, reden, reden und nochmals miteinander reden und so wurde aus dem Dialog der Beauftragten mit den Migranten und ihren Verbänden ein ständiger Dialog entstanden zwischen der Bundesregierung mit Migranten, Verbänden, Stiftungen, Medien, Kirchen, Religionsgemeinschaften, der Wirtschaft, dem Sport und vielen anderen. „Wir reden nicht mehr übereinander, sondern miteinander, das ist zu einem Motto geworden und die Migranten bringen sich ganz anders ein wir befinden uns in einem spannenden Prozess“, bei dem auch viel gestritten würde: „Streit kann uns ja auch weiter bringen“, sagte Maria Böhmer zur aktuellen Integrationspolitik.

Die Integrationsgipfel 2006, 2007 und 2008 zu koordinieren und gemeinsam mit den Migrationsvertretern den Nationalen Integrationsplan heraus zu bringen seien strategischen Eckpfeiler der fortgeschrittenen Einwanderungspolitik geworden. Weitere Markierungen für Dialogprozesse sind die Jugendforen und der erste Jugendgipfel am 8. Mai 2007 im Kanzleramt, die Migrantenkonferenzen und die Islam Konferenz, die im September 2006 vom Bundesministerium des Innern ins Leben gerufen wurde und zwischen deutschen Staatsvertretern und den muslimisch orientierten Verbänden und Persönlichkeiten den Austausch ermöglicht, die Integrationsministerin ist Mitglied im Plenum der Islam Konferenz. Im Mittelpunkt der Gedanken zu einer modernen Einwanderungspolitik stehe für Böhmer die Erkenntnis, „dass viele Migrantinnen und Migranten ihren Platz in der Gesellschaft gefunden haben und zum Wohlstand und zur gesellschaftlichen und kulturellen Vielfalt in Deutschland beitragen“. Die Migrantenorganisationen haben „zugleich mehr Verantwortung für ihre Mitglieder und die Integration“ übernommen, sagte die CSU-Politikerin.

Um die Defizite bei der Sprachausbildung von Teilen der zweiten und dritten Einwanderergeneration und den damit einhergehenden Schwierigkeiten eine berufliche Ausbildung zu absolvieren und der Dauererwerbslosigkeit größerer Bevölkerungsgruppen vorzubeugen, erklärte das Bundeskabinett die Integrationsarbeit zur gesellschaftlichen Schlüsselaufgabe: „Gutes Zusammenleben – klare Regeln. Start in die Erarbeitung eines Nationalen Integrationsplans“ vom 12. Juli 2006. (Demokratie Spiegel)

Der erste Nationale Integrationsgipfel fand am 14. Juli 2006 im Bundeskanzleramt statt. Mit dem Nationalen Integrationsplan wollte die Bundesregierung in der Integrationspolitik „ein völlig neues Kapitel der Geschichte“ aufschlagen, sagte Kanzlerin Angela Merkel im November 2007 (Podcast Nr. 35, aus: Amt im Wandel, Seite 34). Von Oktober 2006 bis März 2007 erarbeiten Arbeitsgruppen unter Leitung eines Ministeriums oder des Amtes der Integrationsministerin Berichte, Zielvorgaben und Handlungsempfehlungen zu zehn Themen. Die ersten drei sind: Integrationskurse verbessern, die deutsche Sprache von Anfang an fördern, eine gute Ausbildung sichern und die Arbeitsmarktchancen erhöhen. Der letzte Punkt heißt: Wissenschaft - weltoffen.

Im Rahmen des „Forums Integration“ und mit themenspezifischen Veranstaltungen wurde am Integrationsplan gearbeitet (Amt im Wandel, Seite 36) und ein Fachpublikum erobert, dass aus dem gesamten Bundesgebiet stammt, verschiedene Generationen und Lebensentwürfe repräsentiert und die Bundesregierung regelmäßig unterrichtet. So haben Schülervertreter, Auszubildende und Studenten Konzepte vorgelegt, die zur mehr sozialer Integration in den Schulen, Ausbildungsstätten und für die Freizeit führen sollen. Im Frühjahr 2009 findet der dritte Jugendintegrationsgipfel statt.

Der Integrationsplan folge drei Grundsätzen, damit die Bevölkerungsgruppen mit Migratinshintergrund die Integrationsarbeit selbständig mitgestalten können. Laut Statistik leben rund 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, in den Interventionsgebieten wird bereits jeder Dritte in einer Zuwanderfamilie geboren. Es gilt das Dialogprinzip, so können Ziele und Maßnahmen konkret auf die Bedarfe der Zielgruppen zugeschnitten werden, und der Potentialansatz. Damit sind die Empfehlungen des NI mit den Kompetenzen der Migrationsbürger innerhalb ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebenswelten verbunden. Drittes Prinzip ist die gemeinsame Verantwortung. Die Arbeit am NI war deshalb erfolgreich, weil alle wesentlichen Akteure beteiligt waren und sich auf Selbstverpflichtungen einließen. Von staatlicher seite waren mit Bund, Ländern und Kommunen, vertreten von kommunalen Spitzenverbänden alle förderalen Ebenen beteiligt und Vertreter der Zivilgesellschaft eingebunden: Von der Arbeitgeberseite, der Gewerkschaften, von Wohlfahrtsverbänden, Vereinen, aus der Wissenschaft, dem Sport, den Medien, der Kunst und der Kultur.

Auf dem zweiten Integrationsgipfel am 12. Juli 2007 wurde der Nationale Integrationsplan vorgestellt (Demokratie Spiegel), der über 400 für die Aktionsgruppen verbindliche Selbstverpflichtungen enthält. Insgesamt habe der Integrationsplan laut Amt im Wandel, Seite 39, die Aktivitäten für Integration Deutschlandweit verstärkt und sich die Zuwanderungsdebatte verändert. Anstelle der Diskussionen um die formalen Arbeitsmarktzugänge und rechtlichen Gleichbehandlungen stehe nun die gesellschaftliche Teilhabe durch Erwerb der deutschen Sprache sowie einen diskriminierungsfreie Zugang zu Bildungseinrichtungen und beruflichen Qualifikationsmöglichkeiten rechtlich abzusichern. Die veränderte Sichtweise begründet die Regierung zum einen mit dem demografischen Wandel durch Einwanderung, Stichworte: Vom Gastarbeiter und Vertragsarbeitnehmer zum Menschen mit Migrationshintergrund, zum anderen mit der Hinnahme des Strukturwandels, der alle Bevölkerungsteile beeinflusst. Die Veränderungen von der Industrie- zur Wissensgesellschaft, mit weltweiter Anbindung, gefährden eben jene Arbeitsplätze, für die ab Mitte der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts Arbeitskräfte aus den Drittstaaten und aus Europa angeworben wurden.

Die Länderübergreifende Zusammenarbeit wurde stabilisiert, alle Bundesländer schufen Minister- und Senatsstellen für Integration, die im November 2006 zu Maria Böhmer ins Kanzleramt kamen. Von der Ministerpräsidentenkonferenz wurde diesem Gremium beauftragt die gemeinsamen Beiträge heraus zu arbeiten. Die Ministerkonferenz beschloss daraufhin am 14. Juni 2007 eine gemeinsame Erklärung mit der Verpflichtung den regelmäßigen Austausch zu fördern, die Zusammenarbeit auszubauen und die Programme der Integrationspolitik sicher zu stellen. Am 30. September 2008 beschlossen die Länderintegrationsbeauftragten auf einer Integrationsministerkonferenz zusammen zu kommen, um die Querschnittsaufgabe in alle Bereiche der Landespolitik zu verankern. Fast alle Bundesländer verfügen mittlerweile über vielfältige Handlungskonzepte, die weiter aufeinander abgestimmt werden sollen.

Der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag und der deutsche Städte- und Gemeindeverbund gaben beim ersten Integrationsgipfel ebenfalls eine Erklärung ab und verabschiedeten als Bundesverband der kommunalen Spitzenverbände eigene Verpflichtungen als Beitrag zum IP. Dadurch können einzelne Kommunen in ein Gesamtkommunales Konzept übergeführt und vernetzt werden. So entstehen Koordinierungsstellen in den Verwaltungen, die wiederum bei Integrationsfragen den Kommunalen Vertretern zu Seite stehen können. Auf dem dritten Integrationsgipfel stellte die Bundesregierung und die am IP beteiligten Akteure den ersten Fortschrittsbericht vor, der auch eine erste gemeinsame Erklärung der Migrationsvertreter enthalten war. Darin heißt es der IP sei ein „lang erhofftes Signal für Integration“, kritisiere aber auch immer noch vorhanden integrationshemmende Regeln im Staatsangehörigkeits- und Familienzuzugsrecht.

Die Beauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer will weiter an den institutionellen Voraussetzungen arbeiten, ein tragendes Querschnittsprofil durch die ganze Gesellschaft zur Integration zu schaffen. Dazu gehörten die förderalen Zuständigkeiten zu differenzieren und abzustimmen sowie ein bundesweites Integrationsmonitoring durchzuführen, um die Wirkungen der Integrationsarbeit zu prüfen. Drittens sollen als erfolgreich anerkannte Projekte in nachhaltige Strukturen umgewandelt werden und vorhandene Initiativen engagierter Bürger und Politiker. So sollen die Integrationsmaßnahmen horizontal, quer durch alle Ressorts, und vertikal, über die föderalen Ebenen hinweg und in die Zivilgesellschaft hinein, gebündelt und koordiniert werden können (Amt im Wandel, Seite 43).
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1 Bern Geiß (2001): „Die Ausländerbeauftragten der Bundesregierung in der ausländerpolitischen Diskussion, in: Edda Currle, Tanja Wunderlich (Hrsg,): Deutschland-Ein Einwanderungsland? Rückblick, Bilanz und neue Fragen. Festschrift des europäischen forums für migrationsstudien efms. Stuttgart: Lucius&Lucius.

2 Fußnote 1: Die Tätigkeiten der Ausländerbeauftragten der letzten Regierung der DDR, Almuth Berger, bedarf einer eigenen Darstellung, Haus: Broschüre Amt im Wandel, 30 Jahre Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Hrsg. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Seite 7. Internet: » www.integrationsbeauftragte.de

3 Das sogenannte Punktesystem konnte die Bundesregierung 2005 im Bereich der Arbeitsmigration nicht umsetzen. Damit blieb die Arbeitskräftezuwanderung abhängig von einem konkreten Stellennachweis im Inland.

Interessante Broschüre vom Bundesministerium des Innern: Migration und Integration: Aufenthaltsrecht, Migrations- und Integrationspolitik in Deutschland. Internet: » www.bmi.bund.de