Eine politische Demonstration wird 30
Berliner CSD am 28. Juni 2008
Berlin
- Am 28. Juni 2008 wird der Berliner
Christopher Street Day 30 Jahre alt. Dreißig Jahre in denen sich die
schwul-lesbische Gesellschaft politisch und in ihrer Vielfalt entwickelt hat. Die
Teilnehmer und Teilnehmerinnen zeigen: "Wir sind viele, wir sind stolz, wir
sind politisch ernst zu nehmen". Mit 500.000, die gemeinsam auf die Strasse
gehen, zählt der Berliner CSD heute zu den größten politischen Events in
Deutschland.
Doch Diskriminierung, Hass und Gewalt gegen Schwule, Lesben, Transgendern und
Bisexuelle gibt es noch immer. Genauso wie
im Juni 1969 in der New Yorker Christopher Street, der Ursprung des Christopher
Street Days begann…
In
den USA wurden Homosexuelle verfolgt. Razzien und das gewalttätige Eingreifen
der Polizei wurden zum Alltag. In der Freitagnacht, dem 27. Juni 1969, startete
die New Yorker Polizei erneut ihre Razzien in Schwulenkneipen.
Etwa 200 Gäste zählte die Kneipe
"Stonewall Inn" in der Christopher Street 35, als in den ersten
Morgenstunden am Samstag, dem 28. Juni 1969 Streifenwagen vorfuhren. Polizisten
sprangen heraus, besetzten die Ein- und Ausgänge und stürmten dann ins Innere
des Lokals. Jeder einzelne im Szene-Lokal wurde von den Cops gefilzt und auf die
Straße geschoben. Wer hier verkehrte, musste mit derlei unangenehmen Zwischenfällen
rechnen. Doch diesmal war alles anders. Während sich die Lokalbesucher bei ähnlichen
Razzien eingeschüchtert davonschlichen - bemüht, ihre Anonymität zu bewahren
- und die Vertreibung durch die Staatsmacht ohnmächtig ertrugen, nahmen sie in
dieser Nacht die Razzia nicht schweigend hin, sondern leisteten Widerstand, als
sie der Wache zugeführt werden sollten. Sie schimpften, diskutierten,
protestierten, machten ihrem Unmut über die Vertreibung mit deftigen Worten
Luft. Schwule und lesbische Passanten auf der Christopher Street gesellten sich
dazu.
Erste
Rufe "Weg mit den Bullen!", "Bullen raus!", setzen ein.
Inzwischen war die Menge auf rund 500 Personen angewachsen, die Szenerie bleib
zunächst friedlich. Das änderte sich jedoch, als plötzlich drei weitere
Streifen- und ein Mannschaftswagen eintrafen. Mehrere Cops sprangen heraus,
griffen sich zwei Angestellte aus dem Stonewall und drei Tunten im Fummel aus
der Menge und stießen sie in den Mannschaftswagen. Augenblicklich setzte ein
gewaltiges Pfeifkonzert ein. Die Rufe: "Scheiß Bullen!",
"Befreit die Gefangenen!", nahmen zu und die Stimmung wurde
militanter. Hunderte umringten die Polizeiautos, drohten mit Fäusten,
versuchten die Wagen umzukippen und die Verhafteten zu befreien. Die Cops, auf
Widerstände nicht vorbereitet, sprangen in ihre Autos und brausten davon. Das
machte den Widerständlern Mut, vertrieb das Gefühl der Ohnmacht. Ein
Handgemenge setzte ein. Unterstützt von einem gewaltigem Pfeifkonzert und dem
brodelnden Protestlärm der Menge, griffen immer mehr Schwule und Lesben zu
harten Gegenständen, Münzen, Bierdosen und Steinen, und schleuderten sie gegen
die Polizei. Die vor dem Stonewall stehenden Polizisten, darunter der Leiter der
Razzia, wurden ängstlicher. Von der ferne ertönten Sirenen der herbeigeholten
Polizeiverstärkung. Ein großes Aufgebot erreichte die Christopher Street und
das Stonewall. Die Cops begangen wild auf die Menge der Schwulen und Lesben
einzuprügeln. Es gelangte ihnen, die Demonstranten abzudrängen. Dieser Teil
der "Stonewall-Rebellion" dauerte 45 Minuten. Es gab mehrere
Verletzte. Dreizehn Personen wurden verhaftet. Noch mehre Tage lang kam es auf
der Christopher Street zu militanten Auseinandersetzungen zwischen Schwulen,
Lesben und der Polizei. Dies führte in den USA zur Ausprägung
schwul-lesbischer Vereine, Interessenvertretungen und einem Gedenkmarsch, dem
"Christopher Street Day" (CSD).
1971
begannen die schwul-lesbischen Vereine und Vertretungen in Deutschland politisch
aktiv zu werden. Die ersten CSD-Gedenkveranstaltungen in Deutschland begannen
und wuchsen stetig. Sie wurden und werden genutzt, um politische Forderungen zu
transportieren und die Existenz schwul-lesbischer Lebensweisen zu zeigen.
Der "Rosa Winkel" wurde durch die Regenbogenfahne abgelöst. Die Regenbogenfahne wurde 1978 von Gilbert Baker für den CSD in San Francisco entworfen. "Sie symbolisiert Einheit und Diversität. Anders als der rosa Winkel, der ein Symbol der Unterdrückung ist, ist die Regenbogenfahne etwas, was wir selbst gemacht haben und was Hoffnung ausdrückt. Die Fahne ist ein sehr einfaches, sehr schönes und sehr optimistisches Symbol für die Sehnsucht der Schwulen und Lesben nach Freiheit".
Sie enthält heute folgende Farben:
Rot |
= |
Leben(sfreude) |
Orange |
= |
Gesundheit/Heilung |
Gelb |
= |
Sonne |
Grün |
= |
Natur |
Blau |
= |
Kunst |
Violett |
= |
Geist |
In
vielen Städten werden öffentliche Gebäude zum CSD mit den Regenbogenfahnen
beflaggt, so auch am 6. Juni 2008 wieder in Berlin. Am 28.
Juni 2008 wird der Berliner CSD
erneut, die längst fälligen Forderungen das richtige Gewicht verleihen. Unter
dem Motto "Hass du was dagegen?" werden Schwule,
Lesben, Transgendern und Bisexuelle ein deutliches Zeichen gegen Hassgewalt und
Diskriminierung setzen. Zwar stellt die Landesverfassung von Berlin
(Abschnitt II, Artikel 10, Absatz 2), in der Fassung vom 23. November 1995 klar,
dass niemand wegen seiner sexuellen Identität
diskriminiert
werden darf, doch ist das Gegenteil in Berlin an der Tagesordnung. Zu den meist
gebrauchten Schimpfwort an Berliner Schulen zählt, laut der Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin, der Ausspruch "schwule
Sau". Darüber hinaus ist es weit verbreitet, Dinge als "schwul"
zu bezeichnen, um damit Herabsetzung, Entwürdigung und Entwertung auszudrücken.
Auch Hassgewalt gegen Schwule und Lesben macht sich auf Berliner Strassen breit
und gewinnt zunehmend mehr Anhänger. Dagegen richtet sich in diesem Jahr der
Berliner CSD und fordert die entsprechenden Verwaltungen zum Handeln auf. Zum
30-jährigen Jubiläum des Berliner CSD, erfüllt die Berliner Senatsverwaltung
einen lang ersehnten Wunsch. Eine neue
Route für den Demonstrationszug,
die erstmalig auch durch den Ostteil der Stadt führen wird. Los geht es Unter
den Linden und weiter über: Glinkastrasse, Behrenstrasse, Ebertstrasse,
Potsdamer Platz, Potsdamer Strasse, Kleiststrasse, An der Urania,
Schillerstrasse, Hofjägerallee bis zur Siegessäule. Die Aufstellung des
Demonstrationszuges beginnt am 28. Juni ab 10:00 Uhr in der
Karl-Liebknecht-Strasse, zwischen Schlossbrücke und Spandauer Strasse. Der
Start der Demonstration ist für 12:30 Uhr vorgesehen und die Ankunft an der
Siegessäule gegen 17:00 Uhr geplant, wo um 18:00 Uhr die Abschlusskundgebung
beginnt.
Auch
wenn die Änderung der Route lange Jahre bereits gewünscht wurde, war der
eigentliche Auslöser für Zustimmung der Berliner Senatsverwaltung die Route zu
ändern, die zur selben Zeit laufende Fußball Europameisterschaft und die
aufgebaute Fanmeile, rund um das Brandenburger Tor. (me)
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