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Volksbegehrens-Bericht 2010 vorgelegt

Mehr Demokratie e.V., Landesverband Bremen/Niedersachsen

Pressemitteilung 11/2011
15. März 2011

2010 war ein gutes Jahr für die direkte Demokratie – bundesweiter Volksentscheid rückt näher

Bremen. Durch die beiden Volksentscheide in Bayern und Hamburg sowie durch die Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 wurde im Jahr 2010 deutlich, dass Wählen allein für eine Demokratie nicht ausreicht. Nach Einschätzung des Vereins Mehr Demokratie ist es eine Frage von wenigen Jahren, bis Länder wie Niedersachsen ihre Volksgesetzgebung bürgernäher gestalten und in Deutschland der Volksentscheid eingeführt wird. „Viele Menschen fühlen sich demokratisch unterfordert. Volksentscheide geben ihnen die Möglichkeit, Politik auch zwischen den Wahlen zu gestalten“, begründet Tim Weber die Notwendigkeit direkter Demokratie. Anlass der Stellungnahme des Landesgeschäftsführers von Mehr Demokratie Bremen/Niedersachsen ist die heutige Veröffentlichung des Volksbegehrens-Berichts 2010.

Die Bilanz des Volksbegehrens-Berichts 2010: Im Jahr 2010 wurden 16 direktdemokratische Verfahren auf Landesebene neu eingeleitet, fünf mehr als im Vorjahr. Insgesamt waren 30 laufende Verfahren zu verzeichnen, fünf weniger als 2009. Der Bericht wird jährlich vom Verein Mehr Demokratie vorgelegt und analysiert die Entwicklung der direkten Demokratie in den Bundesländern. Die Zählung umfasst sowohl die dreistufige Volksgesetzgebung (Volksinitiative/Antrag auf Volksbegehren, Volksbegehren, Volksentscheid) als auch Volkspetitionen auf Landesebene. Für das vergangene Jahr ist ein deutlicher regionaler Schwerpunkt auszumachen: Sieben der 16 neuen Verfahren wurden in Hamburg eingeleitet, drei in Berlin. In neun Bundesländern wurde kein einziges neues Verfahren auf Landesebene gestartet (Bayern, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen). In Niedersachsen liefen zwei direktdemokratische Verfahren. Eines davon (Gegen Abriß des Landtagsgebäudes) wurde mittlerweile eingestellt, ein weiteres (Für gute Schulen) läuft noch einige Wochen. Hier besteht großer Nachholbedarf für bürgernahe Verfahren direkter Demokratie.

Im vergangenen Jahr war es in Hamburg und Bayern zu Volksentscheiden gekommen, die jeweils zugunsten der Initiativen ausgingen. Infolge dieser Volksentscheide sowie nach Abstimmungen in der Schweiz kam es zu intensiven Debatten über direkte Demokratie. Im Volksbegehrens-Bericht 2010 beschäftigt sich Mehr Demokratie auch mit Thesen, die in diesen Debatten eine wichtige Rolle spielten. Erstens: Minderheiten werden bei Volksentscheiden durch die Verletzung von Grundrechten diskriminiert. Zweitens: Mittel- und Oberschichten nehmen in höherem Maße an Volksentscheiden teil, wodurch einkommensschwache und bildungsferne Schichten benachteiligt werden. Und drittens: Volksentscheide werden durch den Einsatz von Geld gelenkt beziehungsweise maßgeblich beeinflusst. Tim Weber widerlegt im Volksbegehrens-Bericht diese Thesen.

Zur ersten These merkt Weber an, dass im Vergleich zur normalen Gesetzgebung höhere Hürden eingebaut werden könnten, falls es um Grundgesetzänderungen gehe. Auch die Stellung des Verfassungsgerichtes sei, anders als in der Schweiz in Deutschland so stark, dass grundrechtswidrige Gesetzesvorschläge gerichtlich geprüft werden könnten und gar nicht erst zur Abstimmung kämen. Weber erklärt dazu: „Es lohnt sich, aus den Schweizer Erfahrungen zu lernen, um die Einschränkung von Grundrechten unwahrscheinlicher werden zu lassen.“ Prohibitive Vorschriften wie das in Bremen und Niedersachsen geltende 50-Prozent-Zustimmungsquorum bei Volksentscheiden hält Weber allerdings für unangebracht: „Diese Bestimmungen machen Verfassungsänderungen durch die Bürger komplett unmöglich, in Deutschland wurde dieses Quorum noch nie geknackt.“

Zur zweiten These merkt Weber an, dass es in Hamburg zwei Volksentscheide zu sehr ähnlichen Themen gegeben habe. Einer habe zusammen mit einer Wahl stattgefunden, einer einige Jahre später getrennt von einer Wahl. In beiden Fällen sei die Beteiligung unterschiedlich hoch gewesen, das Ja-Nein-Verhältnis aber fast identisch. Studien aus der Schweiz haben Meinungsumfragen kurz vor der Abstimmung mit den tatsächlichen Ergebnissen von Abstimmungen verglichen. Nur in einem Fall wich das Abstimmungsergebnis von der Mehrheitsmeinung, die sich in der Umfrage zeigte, ab. Tim Weber dazu: „Auch bei Beteiligungen von unter 50 Prozent, was in der Schweiz regelmäßig der Fall ist, kann man davon ausgehen, dass die Mehrheit der Abstimmenden auch die Mehrheit aller Bürger repräsentiert.“ Weber ergänzt, dass eine Beteiligung von 39 Prozent die Stimmberechtigten besser repräsentiere als z.B. die Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft oder des niedersächsischen Landtages.

Gegen die dritte These führt Weber ins Feld, dass sie einer systematischen Betrachtung nicht standhalte. Es sei nicht so, dass diejenige Seite, die über mehr Geld verfüge, auch die Abstimmung gewinne. So verfügten die Gegner eines strengen Nichtraucherschutzgesetzes in Bayern 2010 über einen fast sechsfach größeren Etat als die Befürworter. Dennoch stimmten 61 Prozent der Abstimmenden für den strengen Nichtraucherschutz. Auch Beispiele aus Berlin oder den USA zeigen, dass Kampagnen mit einem deutlich geringeren Etat Abstimmungen gewinnen können. Als wichtigere Ressource als Geld ist öffentliches Vertrauen anzusehen. Nochmal Tim Weber: „Wir sollten über Regelungen nachdenken, die Transparenz und Vertrauen herstellen.“ Als Beispiele nennt Weber Klauseln, die offenlegen, woher eine Kampagne ihre Spenden erhält oder eine Referendumskommission, die über einen fairen Abstimmungskampf und -verlauf wacht.

Volksbegehrens-Bericht 2010 unter: http://» wissen.mehr-demokratie.de/rankings-berichte.html

Dirk Schumacher

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