Darf man sich freuen? Osama bin Laden ist tot?
Berlin, 4.5.2011. Warum freut es die deutsche Bundeskanzlerin, dass Osama bin Laden tot ist? Heute hieß es aus Regierungskreisen, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe nach dem natürlichen Aufwachen am Montag in der Früh von dem Angriff auf das Wohnhaus des Al Kaida Gründers Osama Bin Laden in Pakistan, in Abbottabad, erfahren.
Am Montagmorgen schickte Merkel ein Telegramm an das Weiße Haus. Am Nachmittag gab Merkel persönlich eine kleine Pressekonferenz im Bundeskanzleramt, in Berlin ab, in der sie ihre Erleichterung über den Fang und auch ihre Freude über den Tod des Anstifters zum Morden und Verletzen aus dem Geheimen per Anschläge und Selbstmordanschläge zum Ausdruck brachte.
Besonders letzteres Gefühl nahmen Merkel einige Journalisten und Vertreter hoher Ansprüche an die Menschenrechtskonventionen übel. Merkel habe sich aus katholischer Sicht, nicht über den Tod eines Menschen zu freuen. Oder: Es wird sich bei einem Anschlag der USA in einem anderen Staat über die Unabhängigkeit eines Landes hinweg, hier Pakistan, hinweggesetzt. Das müsse die Bundesregierung doch mindestens als bedenklich einschätzen.
Doch Regierungssprecher Steffen Seibert sagte heute in der Regierungspressekonferenz, warum Angela Merkel auch die Worte der Freude nahm: „Auch in dem Telegramm, das die Bundeskanzlerin am Montag an US-Präsident Obama geschickt hat, schreibt sie davon, dass ihre Gedanken gleich nach dem Empfang der Nachricht über die Ereignisse in Pakistan zu den Angehörigen der vielen tausend Opfer dieses Mannes gegangen sind, zu den Menschen, die in New York, in Washington, in Afghanistan oder sonst wo auf der Welt in Madrid, in London ihr Leben verloren haben, und zwar aufgrund von direkten Befehlen von Osama bin Laden oder aufgrund seiner Billigung“.
(…)
Am Montagabend telefonierten der US-Amerikanische Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Merkel einige Minuten miteinander und tauschten sich aus, hieß es aus Regierungskreisen. Mitte Juni werden Obama und Merkel in Washington zusammen treffen und sicher wird auch über den Fall Osama Bin Laden noch einmal gesprochen werden.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat sich mit einem Statement zum Tod von Osama Bin Laden geäußert und gegenüber der Zeitung Die Welt. Er telefonierte laut Sprecher vom Auswärtigen Amt weder mit der US-Außenministerin Hillary Clinton noch mit dem Präsidenten Barack Obama und wird das aus diesem aktuellem Anlass nicht tun. (fs)
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Hier ein Auszug aus der Mitschrift der Regierungspressekonferenz vom 4. Mai 2011 in der Bundespressekonferenz:
STS SEIBERT: (…) Gleich am Anfang ihres Statements am Montag hat die Bundeskanzlerin davon gesprochen, dass dieser Kopf des Terrors so hat sie es, glaube ich, ausgedrückt nun keine weiteren Anschläge mehr in Auftrag geben kann, dass dieser Mann, der so vielen Menschen das Leben genommen hat, nun nicht mehr weiter tätig sein kann und dass von ihm keine weiteren mörderischen Aufträge mehr kommen werden. Auch in dem Telegramm, das die Bundeskanzlerin am Montag an US-Präsident Obama geschickt hat, schreibt sie davon, dass ihre Gedanken gleich nach dem Empfang der Nachricht über die Ereignisse in Pakistan zu den Angehörigen der vielen tausend Opfer dieses Mannes gegangen sind, zu den Menschen, die in New York, in Washington, in Afghanistan oder sonst wo auf der Welt in Madrid, in London ihr Leben verloren haben, und zwar aufgrund von direkten Befehlen von Osama bin Laden oder aufgrund seiner Billigung. Da waren ihre Gedanken. Das Leid, das dieser Mensch ausgelöst hat, das dieser Mensch gewollt hat und das dieser Mensch in seinen Texten sogar gefeiert hat, stand ihr klar vor Augen. Das war auch das Motiv ihrer Freude. Deswegen ist das, glaube ich, in diesem Zusammenhang zu sehen.
Das Motiv ihrer Freude war der Gedanke: Von diesem Mann wird nun keine Gefahr mehr ausgehen. Die Welt lebt hoffentlich ein Stück sicherer. Solches Leid, wie die Angehörigen dieser Menschen, dieser Opfer bin Ladens, es erfahren mussten, sollen Menschen nicht mehr erfahren müssen. - Dieser Gedanke der Erleichterung und auch der Freude stand der Bundeskanzlerin den ganzen Montag über, glaube ich, vor Augen. Vor diesem Hintergrund ist die Äußerung zu sehen, die sie gemacht hat. Ich glaube, in diesem Zusammenhang werden vielleicht auch ihre wahren Gefühle noch klarer, als wenn man es auf diesen einen reduzierten, isolierten Satz zuspitzt.
FRAGE: Herr Seibert, der Kritikpunkt vor allen Dingen der Kirchen richtet sich aber genau darauf, dass es ethisch vielleicht nicht angemessen ist, Freude über den Tod eines Menschen zu empfinden. Jetzt könnte man vielleicht denken „Okay, das ist auch eine erste, spontane Reaktion von Frau Merkel gewesen“. Bedauert sie inzwischen, dass sie den Begriff Freude verwendet hat? Würde sie das jetzt mit diesem Abstand vielleicht anders formulieren?
STS SEIBERT: Sie hat Verständnis dafür, dass derjenige, der nur diesen einen Satz gehört hat im Fernsehen wurde ja gerne einmal nur dieser eine Satz isoliert ausgestrahlt , vielleicht das Zusammenwirken der Worte „Tod“ und „Freude“ in einem Satz als unpassend empfunden haben mag. In dem Zusammenhang, den ich gerade darzustellen versucht habe, wird, glaube ich, klar, welche Gefühle die Kanzlerin geleitet haben. In diesem Zusammenhang würde sie diese Gefühle auch wieder so ausdrücken.
FRAGE: Die US-Regierung hat nun bekannt gegeben, dass Osama bin Laden unbewaffnet war. Führt das zu einer Neubewertung der Vorgänge innerhalb der Bundesregierung? Wird die Tötung dann möglicherweise von der Bundesregierung oder dem Justizministerium, das ich neben Ihnen, Herr Seibert, auch direkt anspreche, als problematisch angesehen?
STS SEIBERT: Die Bundesregierung hat den Ablauf dieser US-Militäraktion nicht zu beurteilen. Die Tatsache, dass, wie wir gestern gehört haben, Osama bin Laden selbst in diesem Moment unbewaffnet war, tut ja der Tatsache keinen Abbruch, dass es heftige Feuergefechte gab, dass sich die Bewohner dieses Gebäudes in Abbottabad offensichtlich mit Feuer und Gewalt zur Wehr gesetzt haben und keineswegs darauf aus zu sein schienen, sich festnehmen zu lassen. Aber insgesamt hat die Bundesregierung und habe ich den Ablauf dieser Aktion jetzt nicht zu kommentieren.
BREDOHL: Vielleicht kann ich wegen des Völkerrechts und des Bezugs Ihrer Frage auf das Auswärtige Amt noch zwei Sätze hinzufügen. Ich glaube, es ist zwischen einer politischen und eben dieser völkerrechtlichen Beurteilung zu unterscheiden.
Politisch gibt es überhaupt keine Frage. Dazu hat sich die Bundeskanzlerin geäußert. Dazu hat sich der Bundesaußenminister geäußert. Es gibt zahlreiche andere Äußerungen aus dem internationalen Raum wie vom VN-Sicherheitsrat, die insgesamt begrüßen, dass Osama bin Laden umgekommen ist, getötet wurde.
Wenn Sie nach der völkerrechtlichen Beurteilung fragen, muss man weiterhin das sagen, was schon am Montag galt, nämlich dass ohne eine vollständige Kenntnis der Abläufe auch eine abschließende rechtliche Einordnung dieser Vorgänge nicht möglich ist. Es ist so, dass die US-Seite gestern nicht nur das mitgeteilt hat, was Sie zitiert haben, sondern dass der Sprecher des Weißen Hauses gestern noch einmal erklärt hat, dass US-Kräfte in dieses Haus eingedrungen sind, in dem sich bin Laden aufhielt, um ihn festzunehmen oder zu töten, und dass es in der Folge zu einer Auseinandersetzung gekommen ist, bei der mehrere Personen getötet wurden, unter anderem auch bin Laden selbst. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat dann am Montagabend im Anschluss an das, was geschehen war, eine Erklärung abgegeben und die Tatsache begrüßt, dass bin Laden nie wieder terroristische Akte verüben kann. Weitere Erkenntnisse, was die eigentlichen Abläufe angeht, liegen uns nicht vor.
Aber um es eben noch einmal zu unterstreichen: Politisch hat sich die Bundesregierung mehrfach und sehr eindeutig ausgedrückt.
ADEN: Ich kann nur noch einmal betonen, dass auch die Bundesjustizministerin selbst gestern gesagt hat, dass eine rechtliche Bewertung eben nur möglich ist, wenn man die Einzelheiten genau kennt. Auch wenn jetzt einige Details ans Tageslicht gekommen sind, wissen wir nicht genau, was vorgefallen ist. Grundsätzlich ist zu sagen, dass sich je nachdem, in welchem Land sich ein Vorfall ereignet, ob es ein UN-Mandat gibt und wie die Umstände des Todes genau sind, auch die rechtlichen Maßstäbe ändern. Insofern kann Ihnen jetzt keine abschließende rechtliche Einschätzung dazu gegeben werden.
FRAGE: Herr Seibert, wenn Herr Bredohl und auch die Sprecherin des Justizministeriums nun sagen, ohne vollständige Kenntnis der Abläufe sei keine Bewertung möglich, ist es denn dann wünschenswert, dass die US-Regierung der Weltöffentlichkeit eine vollständige Kenntnis der Abläufe ermöglicht, wie dies auch bereits UN-Vertreter von der US-Regierung gefordert haben?
STS SEIBERT: Wie weit die US-Regierung die Details des Einsatzes offen legt, ist natürlich eine Frage, die in Washington entschieden werden muss. Mein Eindruck ist, dass die US-Regierung durchaus weiß, dass es ihrer Sache hilft, wenn sie mit möglichst großer Offenheit damit umgeht. Das ist auch das, was wir seit Montag erleben.
FRAGE: Frau Aden, ich verstehe nicht ganz, warum die Frage, ob ein völkerrechtswidriger Eingriff vorlag, noch nicht beantwortet werden kann. Die Details dieser Aktion sind nämlich weniger wichtig. Was wichtig ist und was feststeht, ist, dass ein Staat, die USA, durch sein Handeln in die Souveränität eines anderen Staates, Pakistans, eingegriffen hat. Dies rechtlich zu beurteilen stünde Ihrem Haus doch gut an.
ADEN: Ich kann nur noch einmal wiederholen: Die Einzelheiten sind im Moment nicht klar, und solange die Einzelheiten nicht klar sind, ist es schlicht nicht möglich, dazu eine abschließende rechtliche Bewertung vorzunehmen.
BREDOHL: Vielleicht kann ich auf diese Frage hin auch noch einen Satz hinzufügen: Sie wissen bestimmt, dass der pakistanische Präsident gestern in einem Artikel in einer großen amerikanischen Zeitung seine Befriedigung über den Tod Osama bin Ladens zum Ausdruck gebracht hat, nachdem die ganze Aktion stattgefunden hat.
FRAGE: Herr Bredohl, wie bewerten Sie die Tatsache, dass Washington offenkundig Moskau vor dem Zugriff auf Osama bin Laden informiert hatte so war, wie Sie wissen, von russischer Seite zu hören, Deutschland anscheinend aber nicht? Immerhin gehört Deutschland zu den Hauptakteuren im Kampf gegen den Terrorismus und ist engster Verbündeter der USA.
BREDOHL: Lassen Sie mich an dieser Stelle sagen, dass sich die Bundesregierung nicht nur auf der Ebene in Berlin, sondern auch auf der Ebene beispielsweise ihrer Botschaften in einem ständigen Meinungsaustausch mit US-Stellen befindet.
ZURUF: Das heißt ja noch nicht, dass sie informiert wurde.
BREDOHL: Das heißt, dass ich Ihnen an dieser Stelle leider nicht sagen kann, wann wer in welchem Moment genau mit wem gesprochen hat. Ich möchte Ihnen einfach nur sagen, dass es unterschiedliche Kommunikationswege gibt und wir uns mit den Amerikanern in einem ständigen Dialog auch über die Fragen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus befinden.
FRAGE: Herr Bredohl hat mich jetzt doch noch einmal auf etwas aufmerksam gemacht. Herr Seibert, ist meine Annahme richtig, dass die Bundeskanzlerin von der Osama-Aktion erstmalig anhand von Eilmeldungen der Nachrichtenagenturen und nicht durch andere Quellen durch dunkle oder diplomatische Quellen, die Herr Bredohl als vielfältige Kommunikationswege beschreiben hat erfahren hat, also vorher schon quasi halb darauf vorbereitet war, dass dort demnächst etwas passieren wird? Haben Sie also irgendeinen Anlass, zu schlussfolgern, dass Frau Merkel nicht erst durch die Eilmeldung der Agenturen, die gelaufen ist, von der Aktion erfahren hat?
STS SEIBERT: Die Bundeskanzlerin hat von dieser Aktion nach dem frühen Aufstehen am Montagmorgen erfahren.
ZUSATZFRAGE: War sie auch auf nichts vorbereitet, soweit Sie sie danach gefragt haben?
STS SEIBERT: Sie hat nach dem frühen Aufstehen davon erfahren.
FRAGE: Herr Bredohl, Sie legen damit nahe, dass deutsche Stellen tatsächlich vorher davon informiert wurden. Ist dieser Schluss jetzt richtig oder falsch?
BREDOHL: Nein, das möchte ich überhaupt nicht nahe gelegt haben. Ich wollte einfach nur sagen, weil hier mehrfach gefragt wurde, wie Informationen weitergegeben werden und welche Details weitergegeben werden, dass unsere Gespräche mit amerikanischen Stellen auf verschiedenen Wegen erfolgen. Ich habe eben auch auf die Frage des Kollegen, was Pakistan angeht, geantwortet, als die Frage nach dem Eingriff in die Souveränität gestellt wurde, dass sich beispielsweise auch der pakistanische Präsident geäußert hat. Aber ich wollte damit nicht sagen, dass die Bundesregierung oder das Auswärtige Amt vorab unterrichtet worden waren.
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Andere Mediem zum Thema: http://www.» spiegel.de/politik/ausland/0,1518,760647,00.html
http://www.» berlinonline.de/berliner-zeitung/politik/343100/343101.php
http://www» .stern.de/politik/deutschland/freude-ueber-osama-bin-ladens-tod-merkel-und-das-c-1681483.html
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