Großer Bundesparteitag der FDP in Rostock./ Guido Westerwelle hielt nach zehn Jahren Bundesvorsitzender zum letzten Mal die Eröffnungsrede.
Rostock, 13.5.2011. Zehn Jahre war Guido Westerwelle ein starker, visionärer Bundesvorsitzender, der die liberale Partei bis in die Regierung hinein führte. Am heutigen Freitag hielt Westerwelle ein letztes Mal die Eröffnungsrede als Vorsitzender.
Westerwelle dankte den Parteikollegen, die ihre Partei- oder Ministerämter räumen. So Cornelia Piper, die mit ihrem einst so erfolgreichen Landesverband Sachsen-Anhalt, bei der Landeswahl im März 2011 den Widereinzug um zwei Prozentpunkte verpasste. Sie wolle sich auf ihre Aufgaben als Parlamentarische Staatssekretärin im Auswärtigen Amt konzentrieren.
Westerwelle dankte dem „unvergessenen Günter Rexrodt“. Und dankte Otto von Solms, der sein Amt als Schatzmeister aufgibt. Einen Gruß sendete Westerwelle an die Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin, die gerade einen schweren Stand habe. Einer der Stellvertreter der Bundespartei, Andreas Pinkwart, war bereits 2010 als Landesminister in NRW zurück getreten und von seinen Parteiämtern. Er saß heute mit auf dem Podium.
Rainer Brüderle tritt von seinem Amt als Landesvorsitzender in Rheinland Pfalz (RLP) und als erster Stellvertreter der Bundes-FDP zurück. Brüderle sei ein guter Freund, nicht nur der Partei, sondern auch von ihm, Westerwelle, persönlich, sagte der scheidende Bundesvorsitzende. Wolfgang Gerhardt dankte er und gratulierte, dass Gerhardt jetzt als Vorstand der Friedrich Naumann Stiftung zur Verfügung stehe. Die Bundestagsfraktionsvorsitzende Birgit Homburger gab ihren Posten als Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag ab an Rainer Brüderle. Brüderle wiederum gab sein Wirtschaftsministerium an den neuen Bundesvorsitzenden Rösler ab. Rösler gab sein Ministeramt für Gesundheit weiter an den parlamentarischen Staatsekretär Daniel Bahr. Bahr erhielt am Donnerstag in Berlin seine Ernennungsurkunde im Bundespräsidialamt von Christian Wulff (CDU) und wurde im Bundestag vom Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) vereidigt.
Guido Westerwelle lobte die Mitarbeiter der FDP, die in kleinen Mannschaften in den Wahlkampfzeiten noch Größeres geleistet hätten. Die täten „weit mehr, als der Tarifvertrag“ eigentlich zuließe.
Dass Westerwelle mal selbst zehn Jahre lang Vorstand der FDP sein würde, hätte er selbst nicht gedacht. Jedes Vorsitzende Jahr zähle doppelt, sagte Westerwelle. Wegen der Wechselbäder, die er erfahren habe. „Wer solange einen Partei führt macht auch Fehler. Niemand weiß das mehr, als ich selbst, welche Fehler ich gemacht habe“ und er sagte, er entschuldige sich dafür auch. Aber unter dem Strich habe er die Erfolge für die FDP erreicht. Es falle ihm nicht leicht, sein Amt aufzugeben, aber in der neuen Führungsgruppe seien so exzellente Persönlichkeiten gewachsen mit Philipp Rösler an der Spitze: „Ich werde meinem Nachfolger nicht ins Lenkrad greifen“.
Ein Seitenhieb an die Oppositionspartei SPD musste sein, die die FDP nicht mehr für berechenbar hielte. Westerwelle: Ich habe sechs Vorsitzende der SPD überlebt“. Das sei ein größeres Zeichen von Stabilität und Vertrauenswürdigkeit.
Von den Grünen waren es wahrscheinlich 20, aber die „habe ich eher überlitten“.
Westerwelle sagte, die Wettbewerbe der Geisteshaltungen, das sei Politik. Im Zweifel entscheide sich die FDP für die Freiheit, die sei mal unter besserer Konjunktur, aber sei die Kraft eines Landes. Das brauche die deutsche Politik.
Westerwelle zitiert Stefan Zweig den Satz von der Geschichte, die Ebbe und Flut ist, und dass keine Freiheit ist gesichert sei gegen die sich verändernde Gewalt.
In Deutschland komme die Freiheitsbedrohung leise daher, mit allerlei Begründungen, sagte Westerwelle. Das sehe er so bei den Bürgerrechten. „Andere Parteien vertrauen zuerst dem Staat, dann den Bürgern, die FDP vertraue erst den Bürgern, dann dem Staat. „Bürgerrechte zu verteidigen ist die Aufgabe der FDP und zwar zu allen Zeiten“. Als fordernd beschreibt Westerwelle den Begriff der Freiheit, die Verantwortung trägt. Liberalismus heiße: Das Frühstücksei morgens sei nicht vorgeschrieben.
Weitere Gefährdung der Freiheit sei die Einfalt in der Bildungspolitik. „Wir haben in Deutschland keine Einheitskinder, daher wollen wir auch keine Einheitsschule“, so Westerwelle. Er favorisierte ein „maßgeschneidertes Schulsystem“. Das Elitedenken gehöre neben der Breitenförderung zur Bildungssystem dazu. „Das muss ausgesprochen werden“, so der 49-Jährige.
Die FDP könne man nicht einsperren in ein philosophisches Biotop. „Wir seien zwar keine Volkspartei, aber wir sind eine Partei für das Volk“. Und „dieses Freiheitsverständnis ist überall auf der Welt ein Vorwärtstrend“. Die Yasmin-Revolution habe Westerwelle sehr beeindruckt, mehrere 100.000 Menschen waren auf den Straßen. In Kairo kam die Deutsche Delegation unangekündigt auf dem Tahrir Platz an. Über zwei Millionen Menschen waren da unterwegs. „Innerhalb von wenigen Minuten kamen auf den Platz und fingen an zu skandieren, die haben die Nähe gesucht und fast uns erdrückt“. Einer übersetzte, so der Noch-Bundesvorsitzende weiter: „Es lebe Ägypten, es lebe Deutschland. Das galt nicht mir, das galt den Bürgerinnen, dem Ansehen, der Kraft unseres Landes“. Westerwelle fragte beim Parteitag in der Hanse Messehalle in Rostock, „ob wir dieses Gefühl, was andere haben, nicht auch in unserer Seele zulassen sollten?“ Es sei an der Zeit. „Wir können stolz sein, auf das, was Deutschland nach dem Krieg aufgebaut hat“. Es sei ein gesunder Patriotismus, der sollte zugelassen werden auch von Politikern, die diese Haltung gegenüber den Bürgern vertreten. „Man muss nicht zur Wahl gehen, aber man sollte es tun“, denn andere Völker kämpfen für freie Wahlen. In Deutschland ist „wählen ist auch eine Bürgerpflicht“.
Der, der Bürgerrechte toleriert wird in der Freiheit erfolgreich sein. „Immer da, wo Freiheitsrechte nicht toleriert werden, da tue ich das auch als Außenminister, es gibt eine Pflicht, sich einzumischen von außen, wie in China, sich mit einem Künstler zu solidarisieren, in Menschenrechtsangelegenheiten.“
Westerwelle sagte, Deutschland verliere den Anschluß bei Innovationen. „Das Wort Wutbürger wurde Wort des Jahres, er wünsche sich, dass das Wort Mutbürger mal Wort des Jahres würde.
Die Koordinaten der deutschen Außenpolitik stünden in der Präambel des Grundgesetzes (GG): ...dem Frieden der Welt dienen in einem vereinten Europa.
Der Einsatz in Afghanistan dauert über zehn Jahre. Die Abzugsperspektive bis 2014 für die Soldaten seien international von Deutschland ausgegangen auch an die anderen Staaten. Vollständig soll die Sicherheit an Afghanistan bis 2014 (??, akkustisch nicht verstanden, fs) übergeben haben. Die schwerste Entscheidung während seiner Amtszeit war die Enthaltung zum militärischen Einsatz in Libyen. Mit deutschen Soldaten wolle die Bundesregierung nicht in Libyen eintreten, die die Gewalttaten verurteilte. Diese Entscheidung sei genauso zu respektieren wie die Haltungen der anderen Länder.
Die Reisefreiheit sei ein Kerngeschäft der europäischen Geschichte. Der Außenminister westerwelle wolle keine Grenzkontrollen wie Dänemark jetzt im Alleingang wieder einführte.

Daniel Bahr (FDP) vereidigt
als Gesundheitsminister im Deutschen Bundestag von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). (Foto: © Friedhelm Schulz/ Friedrichson Pressebild)
13.06 Uhr. Westerwelle ist stolz, auf das, was die FDP wichtiges geschafft habe, bei allen Defiziten und Fehlern. Die Arbeitslosenquote: so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Die Denkmäler von der Vorgängerregierung unter Gerhard Schröder (SPD) und Josef Fischer (Die Grünen/Bündnis 90) dafür gibt es nicht. Ein bisschen Kritik gab es an die Berichterstatter, da klatschten weder Otto von Solms noch der jetzige und designierte Generalsekretär Christian Lindner.
Ein Schuß Sentimentalität musste dann doch sein, so Westerwelle: Als junger Generalsekretärs habe er einmal sechs Mal dasselbe an einem Tag in seinen Reden sagen müssen. „Aber ein Gebet wird ja auch nicht weniger wertvoll, weil man es wieder aufsagt“. Außerdem hätten die jungen FDPler seine Sätze besser auswendig lernen und am nächsten Tag mit sprechen können. Da klatschte Generalsekretär Christian Lindner wieder kräftig mit.
Westerwelle beendete seine Rede mit seinem maritimem Lieblingsspruch aus der Jugend(sünde)zeit: „Auf jedem Schiff, gibt es einen, der die Sache regelt und das bin ich: jetzt nicht mehr“. Die meisten im Saal erheben sich zum Abschied und klatschten sieben Minuten. Einblendungen auf der Saalleinwand von dem jungen Guido und seinen Stationen seiner Karriere waren zu sehen.
In der Aussprache, die um 30 Minuten verlängert wurde, wurde festgestellt, dass es zu wenige Frauen in der FDP-Spitze gibt. In der Landtagswahl hätten fünf Prozent mehr Frauen die Wahl entscheiden können, wenn sie gewählt hätten. Mit dem Neuanfang solle die Frauenpolitik inhaltlich und personell in der FDP erneuert werden.
Der Abschlussredner der Aussprache war der neue Gesundheitsminister Daniel Bahr, der die Delegierten noch einmal auf die Kernelemente der Wirtschaftsliberalen Politik einschwor: Die SPD und die Grünen brauche die Bundes-FDP nicht zu fürchten. Die könnten nur Schulden aufnehmen und die Steuern erhöhen, aber die FDP ist nicht in der Großen Koalition mit der CDU/CSU und wolle so nicht regieren.
Außergewöhnlich freundlich wurde der Bericht des Bundesschatzmeisters der FDP angenommen. Die stehenden Ovationen, die Otto von Solms nach fast 20 Jahren Ausübung dieses Parteiamtes erhielt, übertrafen die für den scheidenden Vorsitzenden Guido Westerwelle von sieben Minuten. Solms hatte Tränen in den Augen nach dem der Beifall noch einmal aufbrandete und Westerwelle wurde vom Parteitagspräsidenten gebeten noch einmal das Wort des Dankes an Solms zu richten und - Solms erhielt ein Buchgeschenk aus dem 18 Jahrhundert von Westerwelle überreicht. Für die vielen Jahre, die Otto von Solms für die FDP gearbeitet hatte.
Nach der Delegiertenaussprache und der Unterbrechung des Parteitages wurde der designierte Bundesvorsitzende der FDP, Philipp Rösler, als Kandidat um 18.45 Uhr vorgeschlagen und in einer geheimen Wahl als neuer Vorsitzender gewählt. Er erhielt von 662 berechtigten Stimmen 619. Gestimmt haben 22 mit Nein, es gab drei Enthaltungen. 95,9 Prozent der Delegiertenstimmen. Das ist Westerwelle ein Mal passiert. Rösler schlug als seine erste Stellvertreterin Birgit Homburger vor, die auch gewählt wurde mit 66,1 Prozent sowie die amtierende Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als dritte Stellvertreterin der Bundes-FDP mit 85,51 Prozent. Ein Delegierter aus Bayern wird ihr die rethorische Frage stellen: Wissen Sie eigentlich, wie froh wir sind, Sie als Ministerin zu haben? (fs, 18.25 Uhr, LÄ 01h)
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Rotationen bei der FDP. Neu: Daniel Bahr

Christian Wulff (CDU) und Daniel Bahr (FDP)
(Foto: © Friedhelm Schulz/ Friedrichson Pressebild)
Berlin, 12.5.2011. Der Deutsche Bundespräsident Christian Wulff (CDU) überreichte Daniel Bahr (FDP) die Ernennungsurkunde zum Gesundheitsminister. Philipp Rösler übernahm das Wirtschaftsministeramt von Rainer Brüderle, dieser wiederum das Amt der FDP-Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag, Birgit Homburger. Gudio Westerwelle behält vorerst seinen Ministerposten im Auswärtigen Amt. Heute beginnt der große Parteitag der FDP in Rostock. (fs)
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