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PID zulassen, nicht zulassen oder nur ein bisschen

Gesetzentwurf II. zur PID

Berlin, 28./30.1.2011. Nach einem Vorfall in Deutschland, als ein Arzt eine Praeimplantationsdiagnostik (PID) vornahm und sich selbst anzeigte, stellte der Bundesgerichtshof am 6. Juni 2010 fest, die Durchfuehrung von PID ist nicht strafbar. Das Verfahren faellt nicht unter das Embryonenschutzgesetz.

Davon betroffen sind in Deutschland circa 200 Paare im Jahr, aber das Thema ist eine Gesellschaftsdebatte. Oder ein Zeugnis fuer ein funktionierendes Parlament? Es streiten sich die Geister. Und die Abgeordneten. Partei uebergreifend. Und entschieden werden darf nach dem eigenen Gewissen. Dazu gehoert aber auch Wissen und das ist in dieser speziellen Debatte schwer zu erlangen, wenn man nicht Betroffener oder Fach-Experte ist.

An dem zweiten Gesetzentwurf aus dem deutschen Bundestag, der in Berlin den Journalisten vorgestellt wurde, habe die Gruppe der Bundestagsabgeordneten mit René Roespel (SPD), Priska Hinz (Buendnis90/Die Gruenen) und Patrick Meinhardt (FDP) – und Norbert Lammert (CDU), monatelang gefeilt. Lammert war nicht in der Bundespressekonferenz, aber ueberraschend sein Bekenntnis zu diesem Angebot, diesem moeglicherweise zweiten Weg fuer diejenigen Abgeordneten, die sich unsicher sind, ob nicht doch aus der Zulassung begrenzter PID ein Dammbruch entstehen koennte, Forschungsnutzen auszuweiten oder Selektionen bei Embryonen vornehmen zu koennen, bis hin zu Designerbabies, die bestimmte Merkmale aufweisen sollen, unabhaengig davon, ob sie Erbdefekte in sich tragen.

Aufweichungen habe es, so Priska Hinz, in Frankreich bereits im Rahmen der PID-Zulassung in begrenzter Form gegeben. Es habe sich um die lizenzierten Zentren herum eine unterschiedliche Kultur gebildet und Paare suchten sich die Zentren aus, die ihnen die Untersuchungen ermoeglichen wuerden, die sie gemacht haben wollen. Dieser Entwicklung in der Gesellschaft entgehe Deutschland nur, wenn nicht mehrere Zentren, sondern nur eines zugelassen und die dort angesiedelte Ethikkommission streng kontrolliert werde.

Noch Ende des Jahres 2010 stellte die Begrenzte-PID-Zulassungstruppe um die Abgeordneten Ulrike Flach (FDP), Peter Hintze (CDU/CSU), Carola Reimann (SPD) und Jerzy Montag (Buendnis90/Die Gruenen) ihren Gesetzentwurf in Berlin vor. (Demokratie Spiegel Artikel vom 22.12.2010: Erster » Gesetzvorschlag).

Und am 18.1.2011 stellten Wissenschaftler ihre Studie zur Praeimplantationsdiagnostik vor. Die zu untersuchende Frage dreier Wissenschaftsinstitute, federfuehrend die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) sowie der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, war, die Auswirkungen einer begrenzten Zulassung in Deutschland zu untersuchen.

Die Forscher der Leopoldina-Gruppe empfehlen die beschraenkte, kontrollierte Zulassung, nicht das Verbot, und unterstuetzen somit eher den Gesetzentwurf der Bundestagsabgeordnetengruppe um Hintze und Flach, sagte Bettina Schoene-Seifert, Professorin fuer Ethik in der Medizin an der Universitaet Muenster.

Die Empfehlungen des Leopoldina Instituts lehnt die zweite Gesetzesgruppe Roespel, Hinz, Meinhardt und Lammert, ab. Eine Journalistin sagte leise in der Pressekonferenz: Der Vorschlag der Wissenschaftler sei unverschaemt.

René Roespel und Priska Hinz sagten laut, die Durchfuehrung einer Praeimplantationsdiagnostik (PID) sei grundsaetzlich zu verbieten. Mit ihnen wird es auch keinen Krankheitskatalog geben. Die PID wird nur in Ausnahmefaellen zugelassen fuer jene Paare, die eine genetische Vorbelastung haben, die sich zeigt mit Fehl- oder Totgeburten oder dem Tod des Kindes im ersten Jahr nach der Geburt.

An den Empfehlungen der Forschergruppe Leopoldina, an der unter anderem Henning Beier, Experte fuer Molekulare und Zellulare Anatomie und Klaus Diedrich von der Universitaets-Frauenklinik Luebeck teilnahmen, stoerte die Abgeordneten Roespel und Priska Hinz eine scheinbare Gleichsetzung der PID mit der PND, der Praenataldiagnostik, die heutzutage zum Standard gehoerenden Fruchtwasseruntersuchungen beispielsweise, bei denen ebenfalls Nachkommen auf Dispositionen von Trisomien, wie das Down Syndrom, festgestellt werden koennen. Ein dann herbei gefuehrter Schwangerschaftsabbruch nach § 218 bliebe straffrei. Die grossen Schwierigkeiten, die ungewollte oder behinderte Kinder im Leben, insbesondere des Maedchens oder der Frau, hervorrufen, muss die Frau nicht um jeden Preis ertragen.

Der SPD-Abgeordnete Roespel sagte auf Journalistenanfrage: Da werden sie eine schoene Diskussion haben, wenn sie einer Frau, die kein Kind will, auferlegen, sie muesse ein Kind gebaeren.

Aber Roespel, Meinhardt und Hinz betonten, dass diese Situation nicht bei der PID vorliege und Schwangerschaftsabbrueche sind bereits gesetzlich geregelt. Sollte das aus dem Reagensglas stammende Embryo sich im Leib der Mutter doch fehl entwickeln und das Elternpaar oder die Mutter sich fuer ein Absaugen aus der Gebaermutter entscheiden, sei das ja moeglich. Auch Spaetabtreibungen seien ja gesetzlich geregelt.

Im Gegensatz zum Gesetzvorschlag der Kollegen Flach, Reimann, Montag, Hintze duerfen die befruchteten Eizellen vor dem Einsetzen in einen Mutterleib nicht auf so genannte spaet manifestierende Krankheiten untersucht werden duerfen. Dazu gehoert Chorea Huntigton, eine sehr selten auftretende und vererbbare Stoerung des Bewegungsapparates, weil Nervenzellen sich nicht mehr erneuern. Aber auch „Dispositionen fuer Brustkrebsarten“, sollen nicht untersucht werden, sagte Priska Hinz. Im Gendiagnostikgesetz seien solche Untersuchungen ausgeschlossen.

Der Gesetzvorschlag der Flach-Hintze-Gruppe erlaube, nach Trisomien zu suchen, das sind Chromosomen, die sich fehlerhaft teilen und beispielsweise der Nachkomme das Down-Syndrom aufweist. Auch Monosomien sollen nicht per PID geprueft werden duerfen, ohne dass eine humangenetisch diagnostizierte Disposition bei einem oder beiden Elternteilen vorliegt. Beides lehnt die Gruppe Roespel ab. Die genetische Disposition der Eltern und die begrenzte Lebensfaehigkeit der Embryonen sollen die Grundvoraussetzungen fuer eine PID sein.

Mit dem Ansatz: „grundsaetzliches Verbot der PID mit Ausnahmeregelung“, der begrenzten Durchfuehrung der PID auf lizenzierte Zentren, das vorgeschriebene Votum einer Ethikkommission in jedem Einzelfall sowie dem Rechtsanspruch auf eine medizinische und psychosoziale Beratung, sind sich beide Gruppen einig.

Bis zu sechs Eizellen. Klar ist fuer beide Gruppen, es muessen fuer die PID-Untersuchungen bis zu sechs befruchtete Eizellen entnommen werden, die dann nicht eingesetzten Zellen verfallen dann oder werden eingefroren, das entscheidet das Paar beziehungsweise die Frau, sagte René Roespel auf Journalistenanfrage.

Das Aneuploidie-Screening, das heisst die Selektion eines als Gewebespender geeigneten Embryos zur Therapie eines erkrankten Geschwisters (Quelle: Arbeitsbericht: http://www.» tab-beim-bundestag.de/de/publikationen/berichte/ab094.html, 2004), soll fuer in Deutschland lebende Paare verboten sein, so sehen das beide Entwuerfe vor und auch die Wissenschaftler empfehlen das. Das verhindere erfahrungsgemaess in Grossbritannien eine Ausweitung von PID-Zulassungen.

Ein dritter Gesetzentwurf, der ein vollstaendiges Verbot der PID vorsieht, wird voraussichtlich Mitte Februar vorgestellt. Zu dieser Gruppe gehoert die SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Nahles, die im Januar ihr gesundes, erstes Kind zur Welt brachte. (fs, LÄ 30.1.2011, 13.45h)

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(Bildquelle: http://www.svss-uspda.ch/de /facts/embryo.htm)


Meinung von Franziska Sylla

Der Widerspruch, einerseits Selbstbestimmung der Frau und Recht auf Fortpflanzung, und andererseits ein gesetzlich verordnetes Abwaegen der Leiden der Frau, des Paares oder des Nachkommens, wenn ein defektes Embryo, was haette verhindert werden koennen durch eine PID, eingesetzt und in Folge zu einer gewollten Abtreibung oder einer ungewollten Fehl- oder Totgeburt wird, ist unloesbar, wenn der wissenschaftlichen Fantasie und dem moralischen Ehrgeiz nicht Einhalt geboten werden.

Fakt ist, der Medizintourismus fuer Paare, die auf ein im Reagensglas erzeugtes Baby angewiesen sind, ist aufgrund der Umstaende sehr gering. Fakt ist auch, dass gerade diese Paare oft einen Jahrelangen Leidensweg bereits hinter sich haben, um zu einem lebensfaehigen Kind zu kommen. Heutzutage sind medizinische, paedagogische und therapeutische Methoden so ausgereift, dass es koerperlich oder geistig eingeschraenkte Kinder durchschnittlich gut ins Erwachsenleben schaffen. Auch Menschen mit genetischen Erblasten koennen alt werden. Warum sollten diesen Menschen verwehrt sein, sich fortzupflanzen? Die Natur hat es ja gezeigt, dass sie lebensfaehig sind und naturgemaess koennen scheinbar eingeschraenkt fruchtbare und gar unfruchtbare Menschen und sogar aeltere, lebensfaehigen Nachwuchs produzieren und aufziehen. Es kann ja eben auch passieren, dass ein voellig gesundes Leben dabei herauskommt. Ja, dann wurde aus der Petri-Schale eben nach streng untersuchten Regeln das moeglichst beste Zellmaterial selektiert!

Die Freude der Familien, die womoeglich schon ein oder zwei behinderte Kinder pflegen, die bettlaegerig sind und vielleicht nie Enkel bringen werden, eines zu schenken, das selbstaendig essen wird koennen und so Gott will - wird ohne Rollstuhl sich fortbewegen koennen, na, das sind doch keine Designerwuensche von Doktor Frankenstein.

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Andere Stimme Der Tagesspiegel, 27.1.2011:
http://www.tagesspiegel.de/politik/» bundestagsabgeordnete-legen- kompromissvorschlag-zum-pid-gesetz-vor/3776632.html

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http://www.s» vss-uspda.ch/de/facts/biologie.htm