Ausschnitt Regierungspressekonfererenz 13.4.2018, Berlin, BMI- Sprecher

Ausschnitt, 13.4.2018. Berlin. Regierungspressekonferenz.

(Sprecher BMI)

(…)

Dimroth: Vielen Dank – der das noch wenige Stunden sein wird. Deswegen wollte ich heute die
Gelegenheit nutzen, mich bei Ihnen zu verabschieden, möchte das aber nicht tun, ohne hier noch ein paar Worte loszuwerden.

Bei vorangegangenen Verabschiedungen von dieser Bank haben scheidende Sprecher gelegentlich
etwas zum Verhältnis zwischen uns und Ihnen Journalisten gesagt. Mein Verständnis war hier
immer sehr klar: Mit der Aufgabe eines Pressesprechers hat man vor allem eine der
Pressefreiheit dienende Funktion. Sie, die Journalisten, sind die Grundrechtsberechtigten,
wir, die Sprecher, die Verpflichteten. Die Regierungspressekonferenz habe ich immer als
wunderbare institutionelle Ausprägung dieses Verhältnisses empfunden.

Trotz dieses klaren Verständnisses und trotz anderslautender Behauptungen: Es besteht – das
ist zumindest mein Eindruck – kein tiefer Ozeans des Misstrauens zwischen Sprechern und
Journalisten. Im Gegenteil, wir begegnen uns hier in der Bundespressekonferenz mit Respekt,
auch der jeweiligen Rolle gegenüber, und wir begegnen uns mit institutionellem Vertrauen – so
würde ich es einmal nennen. Das ist für fachlich fundierte und verlässliche Arbeit
unerlässlich. Beides geschieht, ohne daraus eine Kumpanei werden zu lassen und auch mit einem
ausreichenden Maß an professioneller Distanz, gleichzeitig gepaart mit einer von Neugier
getriebenen Skepsis, die beiden Rollenbildern immanent ist.

Als ich vor vier Jahren die Aufgabe als Sprecher des BMI übernommen habe, war mir bewusst,
dass dies gleichermaßen große Verantwortung und große Herausforderungen bedeutet. Dass
allerdings eine Zeit vor mir liegt, die die Themen des BMI so sehr und beinahe über die ganze
Zeit in den Fokus des öffentlichen Interesses rücken wird, habe ich nicht geahnt. Ich kann
rückblickend auch nicht sicher sagen, ob ich dann auch Ja gesagt hätte.

Der sogenannte NSA-Skandal, die fortlaufend hohe Terrorgefahr und bitterweise auch
erfolgreiche Terroranschläge in Deutschland und Europa, die Flüchtlingskrise mit all ihren
unterschiedlichen Facetten, aber auch vermeintliche Beschränkungen der Pressefreiheit mit der
Strafanzeige gegen die Kollegen von netzpolitik.org und den Fehlern beim
Akkreditierungsverfahren zum G20-Gipfel: Alle diese Themen haben uns hier in den letzten vier
Jahren intensiv beschäftigt. Häufig war gerade das Format der Regierungspressekonferenz dabei
für mich ein sehr willkommenes Forum, um einen echten Diskurs, einen echten Austausch mit
Ihnen führen zu können – nicht das übliche Frage-Nichtantwort-Spiel, das häufig im Rahmen von
schriftlichen Presseanfragen prägend ist, sondern ein echter Austausch.

Ich hoffe und wünsche sehr, dass es gelingt, die Regierungspressekonferenz so
fortzuentwickeln, dass sie auch für die Zukunft ihre Bedeutung erhält oder, besser noch,
wieder an Bedeutung gewinnt. Ich weiß, Herr Mayntz, dass Sie sich dazu Gedanken machen.

Unabhängig davon bleibt im Rückblick auf die letzten vier Jahre der etwas ernüchternde Befund,
dass es eine Vertrauenskrise in tragende Institutionen unserer freiheitlich-demokratischen
Grundordnung gibt. Davon sind Regierung und Presse gleichermaßen betroffen.

Ich durfte jetzt vier Jahre lang mit Ihnen darüber diskutieren, ob die Regierung, ob das
Innenministerium die richtigen Antworten auf diese Herausforderungen gefunden hat. Ich nutze
die heutige Gelegenheit, um Ihnen meine Gedanken dazu mit auf den Weg zu geben, was aus meiner
Sicht auf Ihrer Seite wünschenswert wäre, um dieser Krise zu begegnen. Nur wenn man sich der
tragenden Rolle, die die vierte Gewalt für die Stabilität unserer Gesellschaft bewusst ist,
kann es aus meiner Sicht gelingen, das notwendige Maß an Verantwortung zu entwickeln, das eine
angemessene Ausübung dieser Rolle erfordert. Ich will das an fünf Punkten ganz kurz erläutern.

Erstens. Gerade im Bereich der inneren Sicherheit gab es bis in die letzten Tage hinein immer
wieder Berichterstattung, die sich offensichtlich ausschließlich daran orientierte, wie oft
eine Meldung von Dritten zitiert werden würde – nicht, wie sattelfest die Recherche war. Aus
meiner Beobachtung hat dieses Phänomen eher zu- als abgenommen. Damit riskiert man nicht nur
das Vertrauen in die Sicherheit und in die Arbeit der Sicherheitsbehörden dieses Landes,
sondern im Ergebnis auch das Vertrauen in die Seriosität der Medien. Die Inkaufnahme von
Vertrauensverlust zugunsten eines Aufstiegs im Zitate-Ranking ist eine Rechnung, die über kurz
oder lang zu einem Negativsaldo führen muss.

Zweitens. Trotz Beschleunigung der Berichterstattung teilweise bis auf Echtzeittempo und des
allseits beklagten Exklusivitätsdrucks sollte Seriosität in der Recherche immer Vorrang vor
Schnelligkeit haben. Im Bereich der Bewertung sollte dies auch gelten, und es sollte der Mut
zu eigenen Meinungen aufgebracht werden, statt sich der Meinung des Schnellsten anzuschließen.

Drittens. Zu Recht betonen Sie regelmäßig die herausragende Kontrollfunktion, die Sie unter
anderem gegenüber der Regierung innehaben und ausüben. Das ist wichtig und essenziell in einer
demokratischen Gesellschaft. Aber auch Medien haben Macht. Sie täten gut daran, auch
gegenseitig mehr Kontrolle auszuüben und auf unbestreitbar stattfindende Fehler der
Kolleginnen und Kollegen öffentlich hinzuweisen.

Mein vierter Punkt betrifft die Zurückhaltung in der Wortwahl. Wenn der Rechtsstaat einmal
wieder nicht abgeschafft wurde, obwohl zum x-ten Mal davor gewarnt wurde, oder wenn der Staat
in einer der größten Herausforderungen der letzten 60 Jahre Flexibilität und Stabilität
beweist statt, wie es zu lesen war, zu versagen, dann darf man sich nicht wundern, wenn
niemand mehr auf die warnende und mahnende Stimme der Medien hört, wenn es einmal wirklich
ernst wird.

Zum Schluss. Ich wünsche mir etwas mehr Gelassenheit, wenn es um die eigenen Interessen geht.
Vielfach ohne Not wird der finale Angriff staatlicher Stellen auf die Pressefreiheit vermutet
und behauptet. Etwas mehr Souveränität und mehr Gelassenheit in der Debatte täten hier gut.
Nur so, und nicht durch das Totschlagargument des drohenden Endes der Pressefreiheit, kann es
einen aus meiner Sicht überfälligen Diskurs darüber geben, welche Rolle Medien heute und vor
allem in der Zukunft einnehmen, welche Rechte dabei unerlässlich sind, aber auch, wo es
Grenzen geben muss, deren Überschreitung nicht folgenlos bleiben darf.

All das klingt jetzt vielleicht sehr negativ, deswegen will ich es dabei nicht belassen. Ich
möchte die Gelegenheit auch nutzen, um mich zu bedanken, und zwar ganz ehrlich: Bei Ihnen für
herausfordernde vier Jahre, für viele kritische Fragen und manch anregende Diskussion. Bei den
Sprecherinnen und Sprechern, meinen Kollegen hier oben auf der Bank, für die immer kollegiale
und freundliche Zusammenarbeit. Bei meinen Kolleginnen und Kollegen im Pressereferat des BMI
für eine unglaublich tolle Teamleistung der letzten vier Jahre, die es uns ermöglicht hat, die
großen Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Bei Thomas de Maizière, der mir vor vier
Jahren sein Vertrauen geschenkt hat. Bei den Protokollführerinnen und Protokollführern der
Regierungspressekonferenz, die mit ihrer zuverlässigen und engagierten Arbeit und den daraus
resultierenden Protokollen eine wichtige Basis für die Pressearbeit der Bundesregierung
leisten.

Am kommenden Montag werde ich eine neue Aufgabe im Bundespresseamt übernehmen und mich dort den Themen der ganzen Bundesregierung widmen. Darauf freue ich mich ebenso wie auf ein
Wiedersehen mit dem einen oder anderen von Ihnen. Die Regierungspressekonferenz werde ich
fortan nur noch am Fernsehen verfolgen. Ich wünsche ihr und Ihnen von Herzen alles Gute!

Vorsitzender Mayntz (der BPK): Herzlichen Dank, Herr Dimroth! Es war ein „echter Dimroth“. Wir haben uns
häufiger darüber unterhalten, wie sich Sprecher fühlen, wenn sie uns etwas „unter drei“ sagen
und dann „unter eins“ darauf angesprochen werden. Er hat jetzt gerade eine kleine
Retourkutsche gefahren. Ich sage jetzt nicht, welche Passage von mir „unter drei“ gesagt
worden war, aber der Rollentausch ist jetzt gelungen, wunderbar. Herzlichen Dank! Ich möchte
es kurz zusammenfassen in der Feststellung: Wer wissen will, warum es sich sowohl für Sprecher
als auch für Mitglieder der BPK immer wieder lohnen kann, hierher zu kommen in die
Regierungspressekonferenz, der sollte unter dem Stichwort „Dimroth“ einmal nachlesen, was er
uns in den letzten vier Jahren alles gesagt hat. Vielen Dank dafür!

Frage: Ehe Sie weglaufen, Herr Dimroth: Vielen Dank zum einen. Zum anderen ganz kurz zu Punkt
fünf: Können wir uns darauf verständigen, dass wir den Begriff Pressefreiheit bei Bedarf auch
durch den Begriff innere Sicherheit austauschen können und die Aussage genauso gilt?

Dimroth: Darüber muss ich noch einen Moment nachdenken!

Vorsitzender Mayntz: Dann kommen wir zum angekündigten Thema Syrien.

Frage : Erstens. Nachdem der französische Staatspräsident Macron von Beweisen gesprochen hat,
die er für die russische Verantwortung für den Giftgaseinsatz in Syrien vorliegen habe: Liegen
diese Beweise der Bundesregierung inzwischen auch vor? Wertet die Bundesregierung sie auch als
Beweise?

Zweitens. Wenn der Außenminister eine geschlossene Front des Westens im Hinblick auf die
Reaktionen einfordert: Wie verträgt es sich denn mit dieser geschlossenen Front, wenn ein Teil
der Länder offenbar darauf eingestellt ist, militärisch auf den Giftgaseinsatz zu reagieren,
während ein anderer Teil das kategorisch ausschließt? Heißt das nicht am Ende, dass eine
geschlossene Front eigentlich nicht möglich ist?

StS Seibert: Ich will vielleicht einmal versuchen, ein bisschen weiter auszuholen; vielleicht
sind darin dann auch Antworten auf Ihre Fragen.

Ich denke, man sollte bei all dem an den Ausgangspunkt zurückgehen. In Duma sind nach allem,
was wir wissen, Chemiewaffen gegen Männer, Frauen und Kinder eingesetzt worden. Viele von
diesen Männern, Frauen und Kindern sind einen schrecklichen Tod gestorben. Das sind Bilder,
die uns alle erreicht haben, die eigentlich auch jeden aufrütteln müssen, genau wie die Bilder
von Chan Schaichun vor einem Jahr oder die Bilder von anderen Orten in Syrien, an denen das
Assad-Regime bedenkenlos C-Waffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat.

Die Frage, vor der wir alle politisch stehen, ist also erst einmal: Wie sollen wir umgehen mit
diesem elementaren Bruch des Völkerrechts, mit dieser erneuten Grausamkeit, die auch kein
Kampf gegen Terroristen je rechtfertigen kann? Die Chemiewaffenkonvention, die jeglichen
Einsatz verbietet und der übrigens Syrien angehört, ist ein wichtiger zivilisatorischer
Schritt, den die Staatengemeinschaft gemeinsam gegangen ist. Diese Chemiewaffenkonvention
beendet nicht alle Gräuel des Krieges, aber sie ächtet unmissverständlich einige der
schlimmsten Waffen, die je erfunden worden sind. Wir alle müssen mit dafür sorgen, dass der
Respekt vor dieser Konvention nicht langsam erodiert und dass es keine Gewöhnung an solche
Kriegsverbrechen gibt.

(…)

Quellen: BPK, Breg

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