Archive für Oktober, 2011 | monatliche Archiv Seite

Rückzug, Reform, Routine: NATO-Einsätze ohne UN

27. Oktober 2011

NATO-Generalsekretär Rasmussen überrascht in Berlin mit neuen Überlegungen für künftige militärische Interventionen des Bündnisses

Von Stefan Jalowy

Rasmussen und de Maizière am 27.10.2011 in Berlin. (Foto: Copyright NATO)

Berlin, 27.10.2011. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) scheint in den letzten 72 Stunden bei der Neugliederung und Verkleinerung der Bundeswehr eine wichtige Schlacht erfolgreich geschlagen zu haben. Seine Chefin Angela Merkel (CDU) sonnt sich dank Kanzlerin-Mehrheit des Bundestags nach dem Krisengipfel von Brüssel gemeinsam mit ihren EU-Amtskollegen im Glanz der vorläufigen Hellas- und Euro-Kombirettung. Und Guido Westerwelle (FDP) freut sich, dass er aktuell aus den Schlagzeilen ist und somit ungestört und diskret an den Vorbereitungen zur grossen Afghanistan-Konferenz Anfang Dezember in Bonn merkeln – Pardon, werkeln darf. Bei den deutschen Alliierten herrscht an diesem grauen Oktober-Donnerstag ruhige See – da stört es nicht weiter, wenn der Admiral der transatlantischen Staatenflotte mal kurz auf einen Routinebesuch in Berlin vorbeischaut. Um mit einer allerdings erstaunlichen Überraschung dann für eine Art transatlantisches Seebeben zu sorgen – das durchaus für einen sicherheitspolitischen Tsunami in den NATO-Staaten und noch mehr in Russland, China und einer Reihe von multinationalen Organisationen sorgen dürfte. Von den Vereinten Nationen ganz zu schweigen.

Nach Routinebesuch sah es auch deshalb aus, weil Anders Fogh Rasmussen heute der internationalen Hauptstadtpresse ein beinahe identisches Statement zur strategischen Lagebewertung im NATO-/ISAF-Einsatzland Afghanistan vorträgt wie bei seinem Berliner Routinebesuch vor einem Jahr, am 22.10.2010.  D a m a l s  stellte der NATO-Generalsekretär fest: „Der Schlüssel für die Übergabe der Verantwortung für die Sicherheit ist Ausbildung; Ausbildung der afghanischen Soldaten, Ausbildung der afghanischen Sicherheits- und Polizeikräfte.“

NATO-Generalsekretär Fogh Rasmussen sagte heute, mit dem Abzug der ISAF-Kampftruppen bis 2014 ändere sich der Charakter des Militäreinsatzes. Der Fokus werde künftig auf der Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte liegen. Nichts Neues also – wenn man davon absieht, dass der höchste politische Amtsträger der NATO wohl nur zu gut weiß, warum er auf den gleichen zentralen und waidwunden Punkt der Strategie für die Zukunft Afghanistans wie vor einem Jahr verweist. Denn ob die afghanischen Sicherheitskräfte dem bis 2014 zweifellos zunehmenden gewaltsamen Einfluss seitens der Taliban als auch der verschiedenen Netzwerke gewiefter wie skrupelloser Warlords und Drogen-Paten gewachsen sein werden – ist nach derzeitigem Stand mehr als fraglich.

Vor wenigen Tagen verwies Thomas Wiegold, einer der profiliertesten sicherheitspolitischen Journalisten im Land, in seinem Blog „Augen geradeaus!“ auf die ernüchternden Berichte afghanischer Polizeichefs aus verschiedenen Provinzen, die der BBC-Journalist Bilal Sarwary via twitter veröffentlicht hat. „In meinem Bezirk zahlen Taliban und kriminelle Gruppen mehr Geld als die Polizei. Darum gehen die meisten Leute zu den Taliban.“ (Polizeichef Bezirk Baghlan) „In meinem Bezirk an der Grenze zu Tajikistan arbeiten alle zusammen gegen uns: Taliban, Drogen-händler und Kriminelle“ (Polizeichef Bezirk Kunduz) „Die Gehälter kommen nie pünktlich. Jetzt mit sechs Monaten Verspätung und manchmal kommt tagelang keine Verpflegung.“(Polizeichef Distrikt Nuristan) Andere Polizeichefs berichten, dass sie Taliban, Kriminelle und Mitglieder des militanten Haqqani-Netzwerks verhaften – und zusehen müssen, wie die zuständigen Richter sie wieder freilassen. „Ich traue manchen aus meiner eigenen Polizei nicht. Sie sind schwer auf Haschisch und Drogen. Aber er ist das einzige Personal, das ich habe“, klagt ein Polizeikommandeur aus der Provinz Uruzgan. Und dass die Taliban, kriminelle Mafiabanden und regionale Warlords Polizisten und Angehörige der afghanischen Nationalarmee abwerben und „umdrehen“, damit sie Selbstmordanschläge auf ISAF-Einheiten und die einheimischen Sicherheitskräfte verüben und sich an Angriffen auf die „Fremden“ beteiligen, soll den in Afghanistan tätigen Nachrichtendiensten seit geraumer Zeit bekannt sein. Und damit auch dem NATO-Generalsekretär und seinen Berliner Gastgebern im Kanzleramt und den Ministerien.

Der phasenweise Abzug der unter Beteiligung von aktuell 47 Ländern aufgestellten ISAF-Einheiten aus Afghanistan ist nicht nur ein Teil der politischen Strategie für die Zukunft des südasiatischen Landes. Er ist ebenso ein Rückzug aus einer Verpflichtung des Bündnisses sowohl gegenüber den Vereinigten Staaten wie auch den Vereinten Nationen. In Zukunft will die NATO sich bei der Entscheidung über militärische Interventionen des Bündnisses gegebenenfalls deutlich von den Vereinten Nationen emanzipieren. Bislang herrschte aus Gründen der globalen Diplomatie in der NATO und den Parlamenten ihrer Mitgliederländer faktisch eine völkerrechtlich nicht zwingend erforderliche Konsenssehnsucht mit dem zentralen Krisengremium der UN, dem Weltsicherheitsrat.

Auf der „NATO Review Conference“ der „Stiftung Wissenschaft & Politik“, des einflussreichsten sicherheitspolitischen ThinkTanks, der Bundesregierung und Parlament berät, erklärt Generalsekretär Rasmussen dann zwischen den Besuchsterminen bei Merkel, Westerwelle und de Maizière den Konferenzteilnehmern scheinbar beiläufig eine wesentliche Neuerung der künftigen NATO-Strategie.

Ein NATO-Militäreinsatz nach dem Muster der Intervention des Bündnisses in Libyen solle künftig auch ohne ein zuvor erteiltes Mandat der Vereinten Nationen denkbar sein, so Rasmussen in einer Diskussion mit Teilnehmern der Konferenz: „Wenn der Zweck gerechtfertigt und die rechtliche Grundlage stark ist, können wir unsere Werte mit Gewalt verteidigen.“ Ein solches Mandat sei zwar wünschenswert, führte der Generalsekretär weiter aus, aber ein UN-Mandat als Bedingung für militärische Interventionen der NATO „würde den Mächten in die Hände spielen, die unsere Werte nicht teilen.“ Man werde jede einzelne Krisensituation genau prüfen, dabei sei eine mögliche Bedrohung der Grenzen des Bündnisses ein zentrales Kriterium. Im Fall eines Bürgerkriegs in Libyen hätten die südeuropäischen Mittelmeeranrainer eine kaum überschaubare Welle von Flüchtlingen befürchten müssen. Die Frage, in welchem Verhältnis sich dann künftige militärische Einsätze der NATO zum Völkerrecht befinden, ist von Rasmussen nicht angesprochen worden.

Den Libyen-Einsatz der NATO, an dem sich Deutschland nicht beteiligte und dessen Zustimmung im UN-Sicherheitsrat es sich per Enthaltung faktisch verweigerte, sieht Generalsekretär Rasmussen als erfolgreich abgeschlossen an. Um exakt 23:59 Uhr libyscher Ortszeit werde die „Operation Unified Protector“ enden. Sie sei ein Musterbeispiel für die Entschlossenheit des Bündnisses, Freiheit und Menschenrechte zu verteidigen – auch jenseits der Grenzen der NATO. „Wenn wir die Verantwortung zum Handeln haben, verfügen wir auch über die Fähigkeit zu handeln. Und wenn wir zu handeln haben, werden wir handeln.“ Dass allerdings die an den Luftangriffen beteiligten NATO-Streitkräfte zum Beispiel aufgrund des hohen Munitionsbedarfs und dessen Kosten zum Teil an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gestoßen sein sollen – thematisierte Rasmussen nicht.

Die Finanzkrise und die Beinahe-Staatspleiten mehrerer (nicht namentlich genannter) Länder sprach er indirekt an. Steigende Defizite und tiefe Verschuldungen der Staatshaushalte könnten zu einer Schwächung des Verteidigungpotentials dieser Länder führen. „Aber im Bestreben unsere Bilanzen auszugleichen dürfen wir unsere Sicherheit nicht aufs Spiel setzen. Weil unsere Prinzipien wertvoll sind – und unsere Freiheit unbezahlbar.“ Ohne Frage resultiert ein Teil der neuen NATO-Strategie „Smart Defence“ aus der notwendigen Einsicht, künftig für die gemeinsame Verteidigung nicht „mehr auszugeben, aber besser auszugeben.“ Im Klartext würde das für die NATO-Mitglieder bedeuten, dass „wir den Fähigkeiten den Vorrang geben müssen, die wir am meisten benötigen. Uns darauf spezialisieren, was wir am besten können. Und multinationale Lösungen für gemeinsame Probleme suchen. Das ist Smart Defence. Der Schlüssel unsere Fähigkeiten zu verbessern und zugleich die Verteidigungslasten fair zu verteilen. Das ist der richtige Ansatz für die richtigen Fähigkeiten zum richtigen Preis.“

Rasmussen lobte in diesem Zusammenhang die von Verteidigungsminister de Maizière betriebene Bundeswehrreform und ihr Ziel, mit geringeren Stärken und Kosten eine höhere Spezialisierung und damit Effizienz zu gewinnen. Der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr hatte einen Tag zuvor die Planungsdetails für den Umbau der deutschen Streitkräfte bekannt gegeben. Rasmussen: „Das ist die Art von Reformen, wie wir sie benötigen.“ Er sehe Deutschland als einen Motor für „Smart Defence“.

In welchem Rahmen damit die Mitglieder der NATO sich für alle Zukunft auf Gedeih und Verderb oder auch „alternativlos“ einer Zwangsmitgliedschaft im Bündnis unterwerfen bleibt ebenso zu bedenken wie die Frage, über welche Souveränität die NATO-Länder noch verfügen würden – sollte eines Tages der (derzeit eher undenkbare) Fall des Bruchs oder der Auflösung des Bündnisses eintreten. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Vereinigten Staaten als stärkste militärische Komponente der NATO auch nur einen Teil ihrer Fähigkeiten aufgeben würden. Eher würden die USA wohl Flugzeugträger in China leasen. Europäische Nationen hingegen wären in einem solchen Fall auf regionale Allianzen oder binationale Kooperationen angewiesen, wie sie es seit November 2010 zwischen Großbritannien und Frankreich gibt. Die Teilstreitkräfte beider Nationen stellen eine gemeinsame Brigade für Einsätze im NATO-, EU- und UN-Rahmen auf. Der neue Verband soll durch Luft- und Seeunterstützung beider Streitkräfte verstärkt werden. Bereits vergangenen Mai haben die ersten Mitglieder der legendären britischen „Coldstream Guards“ im französischen „Centre d’Entraînement aux actions en Zone Urbain“ (CENZUB) den Orts- und Häuserkampf geübt.

Mit Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière tauschte sich Rasmussen bei seinem Besuch im Ministerium über weitere Details für den im kommenden Mai geplanten NATO-Gipfel in Chicago aus. Weitere Themen waren die angespannte Situation im Nord-Kosovo sowie die weitere Entwicklung im Nahen Osten und Nord-Afrika. Routine auch beim Treffen zwischen Rasmussen und Aussenminister Westerwelle – die sicherheitspolitischen Themen der beiden Politiker sind im Wesentlichen identisch mit denen des Ressortchefs Verteidigung. Ausgenommen vielleicht Details zur Afghanistan-Konferenz, die am 5. Dezember in Bonn stattfinden soll und auf der wesentliche Weichen für eine möglichst friedliche Zukunft am Hindukusch gestellt werden sollen und zu der 90 Delegationen mit mehr als 1.000 Teilnehmern unter Vorsitz der afghanischen Regierung zusammentreffen werden.

Gemeinsam mit Bundeskanzlerin und CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel trat NATO-Generalsekretär Fogh Rasmussen am frühen Abend im Kanzleramt vor die Presse. Die Regierungschefin betonte die Fortsetzung der deutschen Unterstützung für eine demokratische Zukunft Afghanistans – auch nach dem erfolgten Abzug der letzten von derzeit noch rund 130.000 ISAF-Kampftruppen 2014. Der Prozess der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen sei auf einem „vernünftigen Weg, auch wenn noch viel zu tun bleibt.“ Deutschland werde seine Verantwortung gegenüber Afghanistan nicht aufgeben – und werde sich auch nach Ende der ISAF-Mission an der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte beteiligen.

Bundestag stimmte Merkels Europa-Kurs zu

26. Oktober 2011


(Foto: © Friedhelm Schulz/ Friedrichson Pressebild)

Berlin, 26.10.2011. In der Bildmitte steht die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Wahlurne. Merkel war ganz entspannt, während der Namentlichen Abstimmung zum Euro-Rettungsschirm. Mit großer Mehrheit hat der Bundestag den Kurs der CDU-Parteivorsitzenden und Bundeskanzlerin in der Euro-Rettung zugestimmt. Die Namentliche Abstimmung über den Entschließungsantrag hatte folgendes Ergebnis: Abgegebene Stimmen 596, mit Ja stimmten 503, mit Nein 89 Abgeordnete, bei 4 Enthaltungen. Die Bundeskanzlerin reiste mit diesem Ergebnis zum Euro-Gipfel nach Brüssel. (Friedhelm Schulz/ Friedrichson Pressebild, fs)

Demonstration: Wir sind das Volk! Schon vergessen?

21. Oktober 2011

Occupy Berlin: Eine Demokratie-Bewegung entsteht


(Foto: Stefan Jalowy/stj)
Nach den globalen Protesten am 15. Oktober entsteht in Deutschland eine breite Demokratie-Bewegung

Von Stefan Jalowy

Berlin, 21.10.2011. Sie ist noch klein, doch sie wächst mit der Dynamik der vernetzten Internet-Gesellschaft und sie hat Inhalte zu bieten, die das bisherige Spektrum der politischen Meinungs- und Ideologieangebote sprengen. Gerechtigkeit, Humanität und die Entwicklung einer neuen und fundamental-demokratischen Gesellschaft, in der jede Stimme und jede Idee zählt. Nach dem Motto „gedacht – gemacht“ wirft eine neue Demokratie-Bewegung das Stigma des traditionellen „braven deutschen Untertans“ kurzerhand über Bord und schickt sich an, die Zukunft der Gesellschaft – nicht nur in Deutschland – in die eigenen Hände zu nehmen. Die Rede ist nicht etwa von der „Piraten-Partei“, die Zigtausende Protestwähler in die Parlamente gespült haben.

Die Rede ist von den Gruppen, die als Initiatoren zu den „Occupy Berlin / Frankfurt / Hamburg / Wall Street / London“- Demonstrationen und Protest-Camps aufgerufen haben – und Zehntausende Bürger aus alle Gesellschaftsschichten auf die Straßen, Plätze und vor Banken und Parlamente bewegten. Die „Occupy“-Bewegung schickt sich an, weit mehr als nur ein spätherbstliches Frustfeuer gegen die Auswüchse der globalen Finanzmafia und eines hemmungslos entfesselten Casino-Kapitalismus zu sein. Eine interkulturelle, globale und klassenübergreifende Demokratie-Bewegung formiert sich und sie will nicht nur protestieren – sondern die Herrschaft über die eigenen Existenzen, Gesellschaften und Perspektiven übernehmen. Nicht mit Gewalt, sondern sehr legal. Auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und in Übereinstimmung mit unserem Grundgesetz, unserer Verfassung. Die etablierten Parteien und ihre jeweiligen Klientelen sind überrascht.

Ein goldener Spätsommertag
, an dem die Bürger in den deutschen Großstädten sich in den Stadtzentren treffen und auf friedlichen Demonstrationen den Druck aus ihrem Meinungs-Dampfkochtopf ablassen „dürfen“. Und die Bundeskanzlerin äußert Verständnis für das „berechtigte Gerechtigkeitsverlangen der Menschen“ und lässt über ihren Sprecher Steffen Seibert ausrichten: „Die Kanzlerin kann auch persönlich verstehen, dass die Menschen auf die Strasse gehen.“ So. Und am Montag gehen alle mit frischem Mut wieder an die Arbeit, studieren und lernen brav oder schreiben weiter Bewerbungen um einen Platz in der Erwerbsgesellschaft. Während an den Börsen, in den Banken und Hedgefonds-Büros weiter „business as usual“ betrieben wird und die Transaktionen der Verluste aus den privatwirtschaftlichen Finanz-Roulettepartien auf die längst bis in die Steinzeit verschuldeten staatsöffentlichen Kassen als „alternativlose“ Rettungsschirme legitimiert werden sollen. So oder so ähnlich war es bisher ja immer.

Der Bürger darf gelegentlich Dampf ablassen und hat dann wieder weiter wie gewohnt Mehrwert, Wertschöpfung, BIP oder wenigstens als Konsument Umsätze zu generieren. Doch etwas hat sich verändert. Zwar kümmern sich die Bürger weiter um ihre existentiellen Aufgaben und Pflichten – aber nach Feierabend gehen sie zur “asamblea“, der Versammlung vor dem Reichstag oder der HSH-Bank. Und diskutieren, wie die nächsten Schritte der Bewegung aussehen werden und realisiert werden können. Es geht längst nicht mehr nur um Protest. Diese Bewegung entwickelt Alternativen. Ideen zu fundamentalen Themengebirgen wie sozialem Ausgleich, realisierbaren Formen direkter Demokratie, steuerlicher Gerechtigkeit, Grenzen wirtschaftlicher Macht, gesellschaftlicher Solidarität – weit über Grenzen von Städten, Bundesländern oder Nationalstaaten hinaus.

Auf von der „Piratenpartei“ gekaperten „Piraten-Pads“ kann jedermann an Konzepten, Plänen, Anträgen zu Demonstrations-Veranstaltungen, Positionspapieren oder Aktionsplanungen mitschreiben und „in real time“ per Chat oder Pad-Kommentar mitdiskutieren. Kollaborativ im Kollektiv, die kollektive (Schwarm-)Intelligenz nutzend, über Träume und Utopien schwärmend und zugleich immer wieder auf dem Boden der Tatsachen neue Wirklichkeiten erschaffend. Das ist der Stil dieser „occupy“-Bewegung. Bewusst wollen die Initiatoren die Hierarchien flach halten. Sie sprechen sich gegen die Entwicklung einzelner „Persönlichkeiten“ als Leitfiguren oder „Köpfe“, die als Sprachrohr in den Medien für die Bewegung werben sollen, aus und ermutigen statt dessen jeden Bürger, der sich berufen fühlt, sich nach Absprache mit dem Plenum als Interviewpartner, Talkshow-Gast oder Pressekontakt zu betätigen. Und das ist neu für die Medien. Egal ob „taz“ oder das einstige Nachrichtenmagazin „Der SPIEGEL“ – Anfragen für Interviews oder Hintergrund-Informationen gehen an eine Mailadresse des Kollektivs…und es wird sich dann eben der Bürger oder die Bürgerin melden, der oder die die von der Mehrheit des „asamblea“-Plenums gebilligten Informationen und Standpunkte vertreten und kommunizieren möchte.

Klingt kompliziert – aber unsere Gesellschaft hat zumindest in größeren Teilen den Diskurs, das Diskutieren in Chats, Foren und Newsrooms seit über einem Jahrzehnt gelernt. Und so wächst eben unter Nutzung dieser auch für demokratische Strukturen neuen Kommunikationstechniken nicht nur ein gemeinsam entwickeltes, im Konsens verabschiedetes neues Ganzes heran. Sondern es wird genau auf diesem Weg auch weiterverbreitet. Über klassische Medien, internetbasierte Netzwerke, Mailinglisten, Blogs, Facebook und die ganze breite Palette sozialer Netzwerkplattformen im Netz. Das Entscheidende aber ist das Zusammenwachsen im Zusammentreffen all dieser sehr Menschen mit ihren zum Teil äußerst unterschiedlichen Biografien und Standpunkten auf den Versammlungen, den in Referenz zum Ursprung der „Occupy“-Bewegung auf spanisch benannten „asambleas“. Gerade weil keine Parteien oder feste Gruppen sich dort als Platzhirsche der öffentlichen Diskussion etablieren (sollen), bleiben Ideologien außen vor und werden sowohl Gemeinsamkeiten identifiziert als auch Brücken des Konsenses über bisherige Meinungsklüfte gebaut.

Wenn auch die kalte Jahreszeit begonnen hat und eine Revolution im winterlichen öffentlichen Raum es deutlich schwerer hat Zulauf und Mitwirkende zu gewinnen als ein demokratisches Frühlings- oder Sommermärchen auf sonnig beschienenen lauschigen Plätzen, ist der Wille immens stark, sich trotz Schnee und Eis und vergrippten Schniefnasen die Demokratie-Bewegung nicht einfrieren zu lassen. Aktuell laufen verschiedene Anträge auf Erteilung von Genehmigungen zu Mahnwachen, Protest-Camps und Diskussions-Foren auf den zentralen Plätzen der Hauptstadt. Eindeutig gegen eine illegale Besetzung hat man sich im Plenum ausgesprochen, denn erstens werden von den „occupy“-Aktivisten natürlich auch Polizisten als Teil jener „99%“, deren Interessen und Lebensgrundlagen von einer globalen Finanzmafia und einer sich vom Bürger entfernten Politikerkaste negativ betroffen sind, erkannt und zweitens versteht man einen real vorgeschriebenen Ordnungsrahmen als Ausgangskriterium für jedwede Art breitester Bürgeraktionen. Denn nicht Anarchie oder die Auflösung jeglicher bürgerlicher und damit staatlicher Ordnung ist das Ziel – sondern eine vom Bürger unmittelbar gelebte neue Demokratie. Am Samstag, dem 22.Oktober, soll die nächste Demonstration auf dem Alexanderplatz stattfinden.

Stefan Jalowy

EU-Rettung: Merkel erstattet Bericht bei der FDP

21. Oktober 2011

EU-Schirm: Merkel erstattete Bericht bei der FDP


(Foto: © Friedhelm Schulz/ Friedrichson Pressebild)

Berlin, 21.10.2011. Aus dem Deutschen Bundestag (DBT). Auf dem Foto oben sehen Sie Doktor (Dr.) Angela Merkel (MdB, CDU) und Bundeskanzlerin. Sie verließ – weil die Regierungserklärung ausgesetzt wurde – eine verschobene Plenarsitzung beim Regierungspartner FDP. Bundeskanzlerin Angela Merkel war nach der CDU/CSU-Fraktionssitzung zur FDP-Fraktion gegangen, um sich der Stimmen zu versichern, die sie für die Zustimmung des EURO-Rettungsschirms brauche. Im Hintergrund des Bildes (v.l.n.r.) sehen Sie den Regierungssprecher Steffen Seibert und rechts von Seibert: Jörg van Essen (FDP), erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. Die deutsche Kanzlerin und Bundesvorsitzende der CDU, Angela Merkel (MdB, CDU), kam mit einem Käsebrötchen zur Fraktionssitzung. Die Sitzung wurde wegen der verschobenen Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zum Euro-Rettungsschirm sehr früh in der Morgenstunde angesetzt. (Schulz/Fotos: © Friedhelm Schulz/ Friedrichson Pressebild, fs)

2011: IDW zur Staatsverschuldung in Deutschland

19. Oktober 2011

„Euro-Schuldenkrise – Ein Hausgemachtes Dilemma“. Das Institut der deutschen Wirtschaft hatte seine Herbstsitzung 2011 in Berlin.

abr270613p1040827Berlin, 19.20.2011. Vergangenen Mittwoch hatte das Institut der deutschen Wirtschaft ihre Herbsttagung. Das Thema „Ungebremste Staatsverschuldung“ diskutierten Karen Horn, Leiterin des Hauptstadtbüros der IDW, Michael Hüther, der IDW-Direktor sowie Rolf Kroker, Geschäftsführer und Leiter des Wissenschaftsbereich, Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik und der Leiter der Forschungsgruppe Markt und Staat beim IDW, Manfred Jäger-Ambrozewicz.

„Viele Deutsche, Bürger wie Politiker, zeigen beim Thema Staatsverschuldung gerne mit dem Finger auf andere Nationen – und verdrängen dabei, dass Deutschland keinewegs das grosse Vorbild ist, das es gerne sein möchte“, sagte Karen Horn zu Beginn der Veranstaltung. (mehr …)

Eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020

12. Oktober 2011

EINE MILLION ELEKTROFAHRZEUGE AUF DEUTSCHEN STRASSEN BIS 2020

752_20120620-NPE_Uebergabe__stdHeute haben der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Philipp Rösler (FDP), und der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Peter Ramsauer (CSU), gemeinsam den Startschuss für die deutschen „Schaufenster Elektromobilität“ gegeben. Dabei handelt es sich um groß angelegte regionale Demonstrations- und Pilotvorhaben, in denen die innovativsten Elemente der Elektromobilität gebündelt und international sichtbar gemacht werden.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler sagte: „Die Elektromobilität bietet für den Standort Deutschland große Chancen. Nur wettbewerbsfähige Produkte werden sich auf dem internationalen Markt behaupten können.“
(mehr …)

Satirische Gesellschaftslyrik: HERREN-Berater.

12. Oktober 2011

HERREN-Berater. Von Günter Stanienda, 12.10.2011

Es ist im Grunde sensationell
und macht den Himmel ganz hell,
was seit hunderten von Jahren
biblische Botschaften offenbaren,
ohne dass wir sie ernst nehmen –
wir sollten uns schämen!

Denn: bei Jesaja (40,13) steht,
und das ist Fakt und kein Gebet,
dass GOTT Berater in Anspruch nimmt!
Sind es viele oder einer nur?
Beraten sie immer, oder um welche Uhr?

Wie werden sie ausgewählt?
Warum hat’s noch keiner erzählt?
Es können doch nur die Edelsten sein.
Vielleicht Leute mit Heiligenschein?

Oder besser Denker
(keineswegs Banker),
zumindest Bewährte,
Hochverehrte,
nicht Verdorbene
gar Verstorbene,
weil der Geist weiterlebt
und als Heiliger Geist weiterschwebt?

Stani 12.10.11