Organspende in Deutschland. Zustimmungs- oder Widerspruchslösung?

Organspende in Deutschland. Zustimmungslösung gewinnt. 

Aus dem Deutschen Bundestag

Berlin, 16.1.2020. Die Spendenbereitschaft in Deutschland ist nach einem öffentlichen Skandal wegen unlauteren Organhandels seit 2012 rückläufig. Zum Nachteil der Patienten, die auf überlebenswichtige Organe oder Gewebe Verstorbener warten. Das Vertrauen der Angehörigen potentieller Spender wieder zu gewinnen wollten sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages widmen. Die Debatten wurden fraktionsübergreifend geführt und am Ende namentlich abgestimmt.

Widerspruchslösung. Der aktuelle Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn (CDU), legte einen Gesetzesvorschlag zur Abstimmung vor, dem sich die Abgeordneten Karl Lauterbach, Georg Nüßlein, Petra Sitte und weitere Abgeordnete anschlossen. Der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der doppelten Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz (Drucksachen 19/11096 und 19/16214) versteht sich so:

Auch, wenn eine Person zu Lebzeiten keiner Spende zustimmte oder ihre Angehörigen keine Zusage zu einer Organspende nach dem Hirntod des potentiellen Spenders abgeben, könnte über seine Organe verfügt werden.

Beispiel eines Organspendeausweises. (Bild: BZgA)

Die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis spricht sich gegen die Widerspruchslösung aus. Mattheis plädiert für die freie „Selbstbestimmung über den Tod hinaus“. Eine „Spende soll Spende bleiben“. Sie wolle verhindern, dass Verwandte „zu Zeugen degradiert“ und deren Wille nicht ernst genommen würde.

Für Detlev Spangenberg sei die „Widerspruchslösung“ eine „Enteignung des eigenen Körpers“. Nur, weil sich „manche Menschen“ nicht mit dem Thema beschäftigen wollten, sollte daraus „keine Forderung an Dritte abgeleitet werden“, weil jemand ein Organ brauche. „Eine Spende“ sollte kein solidarisches Verhalten einfordern, sagte er Bundestagsabgeordnete Spangenberg im Deutschen Bundestag. Seiner Meinung nach müsse „die Patientenverfügung immer Vorrang haben“.

Anders sieht es die Abgeordnete Claudia Schmidtke. Ein Verstorbener, könne „mit seinem Tod anderen“ zu Leben verhelfen. Die Transplantationsmedizin beruhe auf einer Gemeinschaft der gesellschaftlichen Werte, auch wenn sich gleichgültig verhalten werde, ist sie der Meinung, Deutschland hinke beim Organspenden Europa hinterher, wenn es bei der Zustimmungsklausel bleibe.

Dem Entwurf Entscheidungsbereitschaft bei Organspende, sprich eine Person muss zu Lebzeiten einer Organentnahme zustimmen (2. und 3. Lesung), schlossen sich die Abgeordneten Annalena Baerbock, Karin Maag, Hilde Mattheis, Katja Kipping und weitere Abgeordnete an. Drucksache 19/11087 und 19/16214)

Zustimmungslösung. Andrea Baerbock ist „für Leben retten“. Es würde „Hände ringend“ auf Organe gewartet. Sie möchte die Stärkung der Selbstbestimmung nicht ausser Acht lassen. Und „nicht die Regelung anderer Länder auf Deutschland“ übertragen. Ein Herztod gelte in anderen Ländern als Tod. In Deutschland gelte das nicht. Hier müsse das Grundgesetz eingehalten werden: Es gebe eine besondere Verantwortung gegenüber dem Leben. Abgeordnete Baerbock möchte mit ihrer Fraktion im Bundestag ein „Online-Register“ schaffen, auf welches Ärzte „sofort zugreifen“ könnten auf angemeldete Spender/innen.

Das Ziel sei „nicht strittig“, sagte Hermann Otto Solms. „Der Weg“ hin zu mehr Transplantationen sei der Streitpunkt. Die Widerspruchslösungen schränke „die Freiheit nicht ein“; der Staat fordere nur dazu auf, die freie Entscheidung zu wählen. Die Bürgerämter mit in die Pflicht zu nehmen lehnt er ab. Der Bürokratieaufwand sei zu hoch und die intimen Gespräche zur Organspende am falschen Ort.

Einige der Sprecher erklärten, sie haben selbst Organspendeausweise wie Ulla Schmidt seit 1979, ehemals Bundesgesundheitsministerin.

Ein anderer hat seine Meinung im Laufe der Debattenvorbereitung von der bisherigen Zustimmungsklausel zur Widerspruchlösung hin geändert. „Potentielle Spender“ wollten sich nicht zu Lebzeiten entscheiden, sich nicht mit dem Thema beschäftigen. Für Matthias Bartke stehe aber das Recht auf Leben stärker im Vordergrund als das Recht auf Selbstbestimmung. Bartke zitierte eine betroffene junge Patientin: „Wenn man Tod ist, braucht man seine Organe doch gar nicht mehr.“

Namentliche Abstimmung. Es bleibt bei der zu Lebzeiten beschlossenen Zustimmungsklausel. Der Organspender muss per Ausweis, Registrierung in einem Internetportal oder gegenüber seinen Angehörigen verlautbaren, als Spender nach seinem Hirntod, wie in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben, ausdrücklich zustimmen.

Von 709 Bundestagsabgeordneten entschieden sich nach der 3. Lesung 432 für die Zustimmungsklausel, 200 dagegen, 37 enthielten sich, 40 gaben ihre Stimme nicht ab.

Zur Abstimmung zur Widerspruchlösung, die zu einem „Paradigmawechsel“ in Deutschland geführt hätte, so Hermann Gröhe, Gesundheitsminister a.D., stimmten 292 Abgeordnete mit Ja, 379 mit Nein, 3 enthielten sich und 35 haben ihre Stimmen nicht abgegeben.

 

Hier die visuelle Darstellung der Verteilung der Stimmen der einzelnen Fraktionen zur Abstimmung: Zustimmungsklausel.

https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/abstimmung?id=658

 

Mehr Informationen zum Ablauf für Organspender und ihre Angehörigen hier:

www.organspende-info.de 

 

 

 

 

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