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Gastbeitrag. Ein Offener Brief an Frau Weidel und Herrn Gauland. Thema: Verfolgten Schutz gewaehren ist Grundgesetz in Deutschland.

1. September 2017

Offener Brief , 01.09.2017, Hans Wallow, Autor/Ehem. MdB

Sehr geehrte Frau Weidel,

sehr geehrter Herr Gauland,

wie Sie kürzlich verkündeten, wollen Sie den Artikel 16a GG, der politisch Verfolgten Schutz gewährt, abschaffen. Mit dieser rechtspopulistischen Forderung versuchen Sie eine kulturelle Kostbarkeit des von ihnen oft pathetisch bezeichneten christlichen Abendlandes zu zerstören.  Ein Kulturgut, das wesentlich wertvoller ist als manches denkmalgeschütztes alte Gemäuer.

Der Begriff Asyl stammt aus dem Griechischen und bedeutet Zufluchtsort. Nicht immer nur aus humanitären Gründen gewährten die antiken griechischen Stadtstaaten und das antike Rom Flüchtlingen Zuflucht. Die Religionen kennen und praktizieren das Kirchenasyl. Ich schreibe diesen offenen Brief, weil mir der Widerspruch zu Ihrer Forderung von den demokratischen Parteien nicht entschieden genug war.

Wer außerdem Menschen mit ausländischen Wurzeln, gleichgültig auf welcher Ebene sie tätig sind,  nach Anatolien entsorgen will, stellt sich außerhalb des demokratischen Konsens. Man entsorgt Abfall. Auch wenn das Wort „entsorgen“ zurückgenommen wurde, bleibt der Ungeist aus Deutschlands dunkelsten Zeiten erhalten. Alle Menschen, die guten Willens sind, werden das nicht mehr als Ordnungswidrigkeit bewerten.

Sie beschädigen nicht nur unser Ansehen als Kulturnation in der Welt, sondern handeln, in dem Sie die Fremdenfeindlichkeit fördern, gegen die materiellen Interessen der Exportnation Deutschland. Unser Land war immer ein Einwanderungsland. Der preußische König Friedrich der Große ließ aus wohlverstandenem Eigeninteresse die verfolgten französischen Hugenotten in das Land. Die polnischen Bergleute ohne Hauptschulabschluss sorgten gemeinsam mit ihrem deutschen Kumpel dafür, dass im zerstörten Deutschland die Wohnungen warm blieben.

Nach 1945 strömten in das völlig zerstörte Deutschland 12 Millionen Menschen. Viele von ihnen mit einem Bündel und der Kleidung, die sie am Körper trugen. Hinzu kamen entlassene, ausländische Kriegsgefangene, ehemalige KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter. Alle mussten mit Wohnung und Nahrung versorgt werden. Auch in dieser Zeit gab es Hetze, Flüchtlingswitze und religiös motivierte Auseinandersetzungen. Eine unvergleichbar größere Aufgabe als heute, aber: Deutschland schaffte das.

Später kamen dann die Gastarbeiter aus Italien, der Türkei, Marokko und zahlreichen Ländern Asiens. Ihre Enkel sind längst integriert, haben meistens die Deutsche Staatsbürgerschaft. Sie sichern durch ihre Arbeit die Sozialsysteme und die Renten. Trotzdem nannte man ihre Großeltern „Spaghettifresser“, „Kümmeltürken“ und „Fidschis“. In den „asozialen Medien“ werden Menschen, die Träume und Hoffnungen wie wir haben, als „Viehzeug“ beschimpft. Das erinnert an die Blut und Boden Ideologie des Massenmörders Heinrich Himmler. Die hässliche Begleitmusik, mit der viele Asylbewerber noch leben müssen.

Als Frau Bundeskanzlerin Merkel aus humanitären Gründen an zwei Tagen im September 2015 für die Flüchtlinge aus Ungarn die Grenzen öffnete, waren viele stolz auf dieses Land. Bürgerinnen und Bürger packten an und halfen. Dass sie auch in vielen Menschen, die kurzfristig über die Balkanroute ins Land einströmten, Ängste auslöste, ist normal. Alles, was fremd ist, verursacht zunächst einmal Besorgnisse und Unsicherheit. Sogar bei der Erfindung des Fahrrades war es so.

 

Die amerikanische Zeitung Washington Post und der mutige französische Präsident Macron lobten die Flüchtlingspolitik Deutschlands. In der ganzen Welt hat sie Zustimmung hervorgerufen.

Dadurch, dass ich die Probleme relativiere, bin ich noch längst kein idealistischer Spätromantiker, sondern eher Realist. Als Entwicklungspolitiker des Deutschen Bundestages habe ich viele Menschen aus verschiedenen Schichten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas kennengelernt. Einiges können wir von ihnen lernen. Sie wollen fast alle menschenwürdig und friedlich in ihrer Heimat leben, aber wenn wir als Europäische Union mit Steuergeldern den Agrarexport nach Afrika subventionieren und damit den afrikanischen Kleinbauern die Existenzgrundlage nehmen sowie an den Küsten die Meere leer fischen, dann sind wir es, die die Flüchtlingswanderung mit verursachen. Die 60 Millionen Flüchtlinge weltweit wollen lieber zu Hause mit ihren Familien und Freunden leben. Dreiviertel der Flüchtlinge vom Balkan fuhren bereits wieder in ihre Heimat. 200.000 Syrer kehrten ebenfalls schon zurück.

Der Vorsitzende von Mercedes Dieter Zetsche sieht in den Flüchtlingen eine „Chance für die wirtschaftliche Entwicklung“. Er präzisiert: „Wer sein komplettes Leben zurück lässt, ist hoch motiviert.“ Der Konzernchef muss in längeren Zeiträumen, in der Regel zwischen 15 und 20 Jahren, denken. Er hat Eigeninteresse, wie einst Friedrich der Große.

Nicht nur Konzerne sondern auch das Handwerk und die Dienstleistungsunternehmen, die gegenwärtig 40.000 Leerstellen nicht besetzen können, brauchen dringend Nachwuchs.

Deutsche Behörden, die gut integrierten Jugendlichen eine Ausbildung verweigern und stattdessen zum Beispiel nach Afghanistan abschieben, handeln gegenüber den jungen Menschen inhuman und auch gegen die langfristigen Interessen des Handwerks.

Bei einer aktuellen Geburtenrate von 1,5% im Durchschnitt pro Familie wird der Steueranteil für die Renten- und Sozialsysteme durch die älter werdende Gesellschaft ab 2030 immer höher. Nach Schätzungen von Wissenschaftlern sinkt die Deutsche Bevölkerung bis zum 2060 auf 70 Millionen Menschen. Ohne Einwanderung sind die sozialen Sicherungssysteme nicht finanzierbar. Die Arbeitsmarktforscher halten eine Netto-Zuwanderung von 400.000 Menschen pro Jahr für notwendig.

Mit dem Asylgesetz ist das Problem allein nicht lösbar, denn in dem Gesetz gilt die individuelle Verfolgung als Voraussetzung. Das verführt zu lügen, da in der Regel mehrere Motive relevant sind. Ein Einwanderungsgesetz kann das Problem nur mildern, aber nicht beseitigen. In diesem Sinne sind kurzfristige humanitäre Motive und ein materieller Vorteil für unser Land kein Gegensatz. Dass Integration kein Ponyhof ist, wissen mittlerweile alle Kommunalverwaltungen und ehrenamtlichen Helfer.

Unsere deutsche Republik bleibt frei, offen und human. Johann Wolfgang von Goethe lässt im Faust (Teil 1 – 1808) Mephisto zu Faust sagen: „Ich bin von jener Kraft, die stets das Böse will und das Gute schafft.“ Im Sinne der Dialektik des genialen Dichters können Sie davon ausgehen, dass es für jede bigotte Aktion eine kulturelle Antwort aus der Gesellschaft gibt, denn wir sind eines der hilfsbereitesten Völker in dieser wackeligen Welt.

Beste Grüße,

Hans Wallow

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Gastbeitrag. „Ist der Weltfrieden in Gefahr?“ Von Uwe Lampe

28. August 2017

Impulsartikel von Uwe Lampe, Oberstleutnant d.R., 14.März.2017

*                         Ist der Weltfrieden in Gefahr?                   *

Haben wir denn nicht aus der Geschichte gelernt? Wissen wir nicht wie schrecklich es ist in einen Strudel der Unberechenbarkeit und Gewalt zu entgleiten?

Als einer im Jahre 1953 geborener  habe ich schon früh meine Nächsten nach den Geschehnissen im Krieg und den Strapazen danach befragt. Von den Soldaten habe ich meist wenig gehört – sie wollten darüber meist nicht reden. Unseren Eltern und Großeltern hat es meist die Sprache verschlagen. Die Kriegsgeneration hatte das Verlangen, mit diesem dunklen Kapitel abzuschließen, denn jeder konnte ahnen, dass von Nazi-Deutschland verantwortet, etwas fürchterlich schief gelaufen war.

Ob es uns Deutschen allerdings gelungen ist, mit der düsteren NSDAP-Vergangenheit positiv abzuschließen, lässt sich aus meiner Sicht nicht so klar beantworten, denn das Leugnen von deutschen Grausamkeiten verfolgt uns bis in die heutigen Tage.

Die Ungeheuerlichkeit der Ereignisse beider Weltkriege haben mich tief beeindruckt. Der große Wille zum Wiederaufbau zeigten unseren sprichwörtlichen Fleiß.  Ich glaubte lange daran, dass soviel erfahrenes Leid der Menschen, überall auf der Welt eine nachhaltige Besinnung auslösen  würde. Ja und in der langen Zeit des Aufstieg´s hat es auch tatsächlich geklappt.

Die Spaltung in Ost- und Westmächte führte zumindest in eine klarere Aufteilung der wesentlichen Einflussgebiete der Welt. Überwiegend alle Staaten gehörten direkt oder indirekt einem Bündnis  an. Die atomare Keule schwebt seitdem zwar über uns allen, aber gerade dieser Umstand, der beidseitigen Abschreckung führt zu einem Patt. Da die anderen Atommächte nur bedingt Offensivwaffensysteme ihr eigen nennen, mit denen sie Amerika oder Russland nachhaltig gefährden können, besteht das Gleichgewicht des Schreckens weiterhin. Dass sich jetzt der asiatische Raum machtpolitisch in Militär- und Wirtschaftspotenz stärker zu Wort meldet, macht die weltpolitische Situation nicht einfacher.

Erwiesen ist leider auch, dass wir nach der Aufgabe der Sowjetunion mehr heiße Konflikte, sprich Kriege, zu verzeichnen haben. Auch ist die jüngste Entwicklung,  dass aktuell doppelt so viele Staaten eher undemokratische Strukturen aufweisen – 60 Länder – besorgniserregend.  Von den ca. 200  Staaten bei den Vereinten Nationen sind nur ca. 40 Staaten mit nachgewiesenen demokratischen Verhältnissen registriert.

Der sogenannte arabische Frühling ist in sich zusammengebrochen, die Auswirkungen spüren wir hautnah. Die Bevölkerung des afrikanischen Kontinents darbt und weil die dortigen Einwohner via Internet sehen, wie wir hier in Europa scheinbar, im Schlaraffenland leben, nehmen sie den gefährlichen Weg nach Europa auf sich.

Noch vor einigen Jahren war ich europäisch zuversichtlich. Ich glaubte an die Einsicht aller europäischen Staaten, dass wir nur gemeinsam die positive Entwicklung Europas meistern würden.  Das Ausscheren der Briten und das Aufbegehren nationaler Egoismen ist mehr als besorgniserregend. Wenn uns jetzt noch die Franzosen die kalte nationalistische Schulter zeigen, ist der Sprengsatz zur Zerschlagung der EU gezündet. Wie konnte es so weit kommen ?

Zugegeben die europäischen Institutionen sind unpopulär, weil viele Bürger das Gefühl haben, nur negative Auswirkungen der europäischen Politik zu empfangen. Aber leider sind unsere gegenwärtigen Menschheitsprobleme grundsätzlicher Natur.

Wir wissen um die verheerenden Auswirkungen des vorgezeichneten Klimawandels, weil alle namhaften Wissenschaftler weltweit, in dieser Frage Übereinstimmung  haben.

Auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Kampf um genießbares Trinkwasser Völkerwanderungen auslösen kann erscheint mir einleuchtend. Unter diesen Vorzeichen sind viele religiösen Auseinandersetzungen, mit Verlaub – nur vorgeschobene Argumente. Nicht die Weltanschauung sind die Konfliktlinien der Zukunft sondern handfeste, weil existenzielle Faktoren des Lebens.

Die Welt ist also am Scheideweg, wollen wir einem exklusiven Kreis den Wohlstand sichern oder erreichen, dass es möglichst vielen Menschen auf der Welt nicht an dem Nötigsten mangelt?

 

Eine Oxfortstudie kam unlängst zu der Erkenntnis, das in wenigen Jahrzehnten weltweit nur noch halb so viele Arbeitsverhältnisse bestehen würden.  Hauptsächlich ist der Rückgang an Arbeitsplätzen auf das Fortschreiten der Digitalisierung zurück zu führen. Ich gebe zu, dass ich persönlich ein Verfechter der Theorie bin, dass möglichst viele Menschen am Arbeitsprozess beteiligt sein sollten, qualifizierter wie wenig qualifizierter Arbeit, denn Nichtarbeit macht krank! Und um es kurz zu machen, ja ich glaube an die Schädlichkeit der Ungleichheit auf der Welt, also an der Öffnung der Schere zwischen Arm und Reich.

Und jetzt kommt auch noch Trump!

Ich gebe zu, in sicherheitspolitischen Ansichten  pessimistisch zu sein, aber jetzt bekomme ich schon Beklemmungen wenn ich mir die Gegenwart ansehe. Auch wenn ich wohlmeinend bin, muss ich feststellen, dass alles das, was ich von sehr unterschiedlichen Medien höre und sehe, betreffend der neuen amerikanischen Machtzentrale, im höchsten Maß beunruhigend ist. Ich will mich an der Stelle nicht in Einzelheiten verlieren, aber fast alles was von dem neuen Präsidenten der Vereinigen Staaten ausgeht, ist besorgniserregend.

Erst einmal habe ich um die Menschen in Amerika selbst Angst, das Musterland an gelebter Integration, tritt seine demokratischen Errungenschaften mit Füßen. Die Einheit der gesamten amerikanischen Bevölkerung, mit welchem ethnischen Hintergrund auch immer, steht auf dem Spiel! Bisher befeuert der Präsident eher die Spaltung als das Verbindende.

Dass sich Amerika mehr um sich selbst kümmern will, ist nachvollziehbar, obwohl in Zeiten der Globalisierung – die Abschottung mit ihrer Radikalität nichts Gutes verheißt. Sollte die Europäische Gemeinschaft dieses Szenario als positiven Weckruf verstehen und sich unter dem Druck des Faktischen zusammenfinden, könnten wir wirtschaftspolitisch noch mit einem blauen Auge davonkommen.  Aber der aktuelle Zustand der europäischen Einzelstaaten macht da wenig Hoffnung. Wir Deutschen sind  in einer schwierigen Situation mal werden wir als zu hartherzig, den schwächelnden Mitgliedsstaaten gegenüber wahrgenommen und ein andermal  kritisiert man uns weil wir uns unter Wert verkaufen. Solange man allerdings unsere wirtschaftliche Potenz wertet, werden wir weiterhin mit neidischen Augen betrachtet.

 

Spätestens aber beim Thema Welt-Sicherheitsarchitektur wird es lebensgefährlich. Denn nichts ist schlimmer als die Unberechenbarkeit und ganz besonders die des mächtigsten Führers der einzigen verbliebenen Supermacht, der USA. Und hier unterscheide ich nach der innen- und außenpolitischen Wirkung. Innenpolitisch kann der Präsident, für eine geraume Zeit, ca 90 Tage, jeden erdenklichen militärischen Konflikt befehlen, dazu braucht er nur den kleinen Machtzirkel, den Nationalen Sicherheitsrat, zum Abnicken seiner Direktive. Als Begründung wird  dann immer die sogenannte nationale Sicherheit genannt – ein wahrlich dehnbarer Aspekt.  Die Chefs von Geheimdienst und Armee hat er schon mal aus dem ständigen Kreis, zumindest zeitweise, suspendiert.

Wollte er und so muss man es drastisch beschreiben, einen Krieg, Vergeltungsschlag oder eine Intervention über längere Zeit weiterführen,braucht er die Finanzmittelzusage vom Kongress .

Ich gebe zu, schwer einschätzen zu können, wie Entscheidungen in Zukunft ausfallen. Wir müssen allerdings annehmen, dass Überreaktionen bei einer derart narzisstischen Veranlagung, wie Trump sie vorweist, nicht auszuschließen sind. Die jetzige Auswahl seiner unmittelbaren Berater trägt nicht wirklich zur Beruhigung bei. Ob die Fachminister mäßigenden Einfluss auf den Präsidenten ausüben, wird überwiegend vom persönlichen Verhältnis abhängig sein, tatsächliche Entscheidungsgewalt haben sie jedenfalls nicht.

Die außenpolitische Wirkung ist für Deutschland deshalb so desaströs, weil  wir uns in militärische Abhängigkeit von den USA begeben haben. Deutschland hat seine Verteidigungsfähigkeit bis zur Unkenntlichkeit reduziert. Mehr noch, nach dem Zerfall der Sowjetunion ist die Bundeswehr gedrittelt. Allein von 3.500 Kampfpanzern sind uns noch 250 erhalten geblieben.

Dass sich Deutschland von der Anwendung und dem Besitz von atomaren Waffen ferngehalten hat war ein Gebot der jüngeren Geschichte. Wer sich die fehlende Einigkeit der Europäischen Gemein-schaft ansieht, wird bei dem Gedanken, einer gemeinsamen Europäischen Armee zweifeln müssen. Wer soll denn also im Ernstfall die Führung übernehmen? Solange noch immer jeder europäische Nationalstaat für eigene Ausnahmeregelungen, z.B. für benachteiligte Wirtschaftsstandorte kämpft, solange werden die einzelnen Staaten Europas ihre Befehlsgewalt- über Sein oder Nichtsein ihrer eigenen Bevölkerung – keinem europäischen Kommando unterstellen.

Ob uns in Zukunft Briten und Franzosen noch uneingeschränkt mit ihren Atom- und konventionellen Waffen zu Hilfe eilen würden, sofern sie nicht selbst betroffen sind, obliegt zumindest einer neuerlichen Überlegung. Eine schon geäußerte Idee, sich an den Kosten der atomaren Aufrüstung der französischen Atommacht zu beteiligen erscheint mir doch zu abstrakt.

Die Forderung der Amerikaner, dass wir unseren Verteidigungsbeitrag wie zugesagt erhöhen mögen, ist mehr als nachvollziehbar. Leben wir in Deutschland auch deshalb so komfortabel, weil uns die Amerikaner ihren Schutz bisher garantiert haben. Solange amerikanische Soldaten auf dem europäischen Boden stationiert sind – schläft es sich etwas besser. Aber den Amerikanern jetzt vorzurechnen, dass Entwicklungshilfe, Flüchtlingsaufnahme oder Krisenprävention, auch zu den deutschen Verteidigungsanstrengungen gerechnet werden könnten, wäre ein Taschenspielertrick.

Egal wie viel uns die Verteidigung Deutschlands demnächst Wert sein wird, am Vertrauen in die Natoverpflichtungen ist schon mal die Axt angelegt worden. Denn im Natovertrag ist keine automatische Kettenreaktion verankert, sondern nur eine allgemeine Absichtserklärung, für   Verbündete einzutreten. Erst die letzte aller Beteiligungen wäre die Militärische. Wenn also der mit Abstand größte Partner in diesem Bündnis, unberechenbar wird, kommt die Grundlage der Vereinbarung ins Wanken.

Wer glaubt,  zwischen Putin und Trump würde eine Männerfreundschaft entstehen, verkennt die Zusammenhänge, denn Amerika und Russland können sich und leider auch alle Anderen, mehrfach in der Substanz mit ihren atomaren Waffen vernichten, die natürliche Rivalität ist deshalb zementiert.

 

Auch der neuerliche Ausruf des amerikanischen Präsidenten, massiv aufrüsten zu wollen, trägt nicht unbedingt zur Beruhigung bei. Denn wenn jetzt auch Russlands Führung Probleme mit der Einschätzung der Trump´schen Politik haben wird, ist eins gewiss, Putin wird jede Schwäche, seines größten Widersachers, den USA, für seinen eigenen Machtzuwachs nutzen wollen. Dies hat er in Syrien, der Ukraine und auf der Krim in beängstigender Weise vollführt.

Die Gefahr von Missverständnissen in der Gewaltausübung war und ist schon immer ein Problem der Militärs. In einer plötzlichen Krisensituation frage ich mich, wem schenkt der Präsident sein Ohr? Ist er für eine große Anzahl von Argumenten zugänglich? Kann und will er komplexe Lagen abwägen? Fragen über Fragen! Was wenn Präsident Trump den gefährlichen Sticheleien Nordkoreas erliegt und mit aller Gewalt dem Despoten den Garaus machen will, setzt er dann taktische Atomwaffen ein?

Wenn ich diese jüngere Entwicklung des Weltgeschehens betrachte, wird die Ohnmacht des Einzelnen noch plakativer.

Gleichwohl muss uns insgesamt die jetzige Weltentwicklung animieren politisch handelnder zu werden. Gleichgültigkeit und Resignation lähmen die Demokratie. Wo begehren unsere sogenannten Eliten auf? Gegen Vietnam und Atomnutzung gab es Massenproteste. Wenn aktuell gerade die Welt, Europa und auch wir in Deutschland, Gefahr laufen – aus den Fugen zu geraten – muss uns das doch jede Anstrengung Wert sein.

Alle, aber auch alle Demokratie unterstützenden Menschen müssen sich heute und jetzt fragen, was kann ich für den Erhalt der westlichen Wertegemeinschaft tun? An erster Stelle heißt das, wir müssen uns für das was auf der Welt geschieht interessieren, dann kommt automatisch die Positionierung und damit Aktivität.

Denn ja, aus all dem Gesagten muss der Schluss gezogen werden, dass der Frieden auf der Welt nicht sicherer geworden ist. Besonders beängstigend ist, wie stark der Einfluss von einzelnen Machthabern sich wieder verstärkt hat.

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Zum Verfasser: Uwe Lampe war vier Jahre Kommandeur eines Panzergrenadierbataillon n.a., Verbindungsoffizier an der Deutschen Botschaft in Kabul ( auch zu Sicherheitsfragen ) und stellv. Beauftragter für Sicherheitspolitik der Landesgruppe Niedersachsen des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr.

Weitere Gedanken von ihm finden Sie unter anderem in Ute Susanne Werners Kriegsheimkehrerbuch: „ Ich krieg mich nicht mehr unter Kontrolle“ .